Das gelbe Fahrrad in Peking

Wenn bei uns jemand pointiert darauf hinweisen möchte, dass ihn ein Thema ganz und gar nicht interessiert, pflegt er zu sagen: „Des is mir so wurscht, wie wann in Peking a gelbes Fohrradl umfollt.“

 

Leider ist diese Haltung ziemlich stark verbreitet, was auch daran liegen mag, dass man täglich mit sehr vielen unnützen Informationen konfrontiert wird. Das gelbe Fahrrad in Peking als Schutzschild?

 

Eher als Ausrede für so vieles, das man einfach nicht weiß.

 

Aus der Großbaustelle des österreichischen Bildungssystems wurden und werden die meisten Schülerinnen und Schüler mit Lücken des Alltagswissens entlassen, die so groß sind, dass man dort neue Panamakanäle anlegen könnte.

 

Beispiel Hauskredite: In keinem Land Europas gibt es mehr variabel verzinste Hauskredite als in Österreich. Man mag diese Tatsache dem gewinnenden Wesen der einheimischen Bankmitarbeiterinnen und –mitarbeiter zurechnen. Die wahre Begründung dafür, dass sich zahllose Kundinnen und Kunden über den Tisch ziehen lassen und jetzt im finanziellen Starkregen stehen, lautet: Wir haben es nie gelernt! So viel zum Thema: „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.“

 

Beispiel Justiz: Seit Monaten sind die Führungspositionen des größten Gerichts des Landes und der Wettbewerbsbehörde unbesetzt. Die Regierung schafft es nicht, den gordischen Knoten eines Personal-Tauschhandels zu lösen und hebt nicht mal die Augenbraue, wenn sie dafür täglich medial beschimpft wird. Die wahre Begründung, warum sich ÖVP und Grüne diese skandalöse Missachtung des Rechtsstaates leisten können, findet man wieder auf der Großbaustelle Bildungssystem.

 

Fragt man nämlich einen durchschnittlichen österreichischen Schulabgänger, ob er den Begriff „Bundesverwaltungsgericht“ kennt, erntet man mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit ein ratloses Kopfschütteln. Nie gehört…

 

Wirtschaftsbildung und grundsätzliche Kenntnisse der staatlichen Organisation sind nur zwei Themenbereiche, die zum Rüstzeug eines aufgeklärten demokratischen Bürgers gehören.

 

Österreichs Politiker können nur deshalb so ungeniert werkeln, weil sie eines genau wissen: Nur ein ganz kleiner Teil der Bevölkerung kennt sich aus, worum es geht.

 

Und auf diese kleine Gruppe pfeifen sie, die „Besten aus beiden Welten“:

„Des is mir so wurscht, wie wann in Peking a gelbes Fohrradl umfollt.“


Die (gewollte?) Erosion der Verwaltung

Sebastian Kurz hat die Republik nachhaltig verändert. Seine Umgestaltung des Versicherungssystems erzeugte in kurzer Zeit nicht nur enorme Zusatzkosten, sondern führte auch zu einer grotesken Re-Zentralisierung aller Abläufe. Wer heute in Salzburg auf Rehabilitation gehen möchte bekommt von einer anonymen, niemals erreichbaren Chefärztin in Wien einen Ort zugewiesen, der mit Garantie weit weg von zuhause liegt.

Den Chefarzt vor Ort gibt es nur noch theoretisch, jedenfalls hat er nichts mehr zu sagen.

Warum also sperrt man die Landesstellen der SVS nicht einfach zu?

Eine weitere Nachwirkung von „Basti Bombasti“ ist die konsequente Verachtung der Verwaltung. Die findet einerseits dadurch statt, dass eine große Zahl wenig qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den damaligen türkisen Kabinetten jetzt als Sektionschefs oder zumindest hochbezahlte Beamte im System sitzen.

Auf der anderen Seite sind Bastis schwarze Nachfolger (im Gleichschritt mit den Grünen) gerade dabei, die Sinnhaftigkeit einer funktionierenden Verwaltung in Frage zu stellen.

Denn, wie kann es sein, dass VIER wesentliche Führungspositionen seit Monaten/Jahren einfach unbesetzt bleiben?

 

Frage 1: Ist es wurscht, dass das mit rund 220 Richterinnen und Richtern größte Gericht Österreichs – das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) – seit Dezember 2022 „interimistisch“ geleitet wird?

Der naive Beobachter denkt sich: Warum denn eigentlich eine neue Führung? Es läuft ja eh!

 

Frage 2: Ist es wurscht, dass die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) demnächst ein Jahr lang „interimistisch“ geführt wird?

Da kein Unheil passiert ist, könnte man sagen: Warum denn eine neue Führung? Sparen wir den Posten doch ein!

 

Frage 3: ist es wurscht, dass der Weisungsrat im Justizministerium (Grüne) ohne Führung bleibt? Könnte es sein, dass wir diese Einrichtung gar nicht brauchen?

 

Frage 4: Ist es wurscht, dass die Alterssicherungskommission (Sozialministerium/Grüne) seit ZWEI Jahren ohne Führung ist?  

Soll damit signalisiert werden, dass diese Kommission ohnehin keine Bedeutung hat?

 

Würde jemand mit seinem Auto monate- und jahrelang mit Reservereifen herumfahren flöge er irgendwann von der Straße oder zöge ihn die Polizei aus dem Verkehr.

Österreichs Regierende nehmen die permanente Pannen-Situation eiskalt in Kauf.

Den Bürgerinnen und Bürgern soll offenbar signalisiert werden: Soo wichtig ist die Verwaltung auch wieder nicht!

 

 

Dietmar Dworschak

ANWALT AKTUELL

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