"Bilder in den Köpfen"

DISKRIMINIERUNG. Nicht erst seit den „Me too“-Debatten genießen die Themen Gleichbehandlung und Diskriminierung hohen öffentlichen Stellenwert. Spektakuläre Fälle wie die Nichtberücksichtigung der ehemaligen Richtervereinigungspräsidentin Sabine Matejka bei der Neubestellung der Spitze des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) oder ein erst kürzlich bekannt gewordener Diskriminierungsfall am VfGH sind die mediale Spitze der Gleichbehandlungsdiskussion.  

 

 

Gleichbehandlung ist ein Thema, das fast reflexartig oberflächliche Zustimmung erzeugt. Weder eine Behörde noch ein Betrieb möchte dabei erwischt werden, gegen die Fairness in der Behandlung beider Geschlechter zu verstoßen. Jedenfalls bis zur Schwelle der Bezahlung. Da scheinen in der Realität andere Gesetze zu gelten, obwohl das Gleichbehandlungsgesetz bereits seit 1979 ein „Diskriminierungsverbot beim Entgelt“ vorsieht. Den Frauen, die sich hier nach wie vor benachteiligt fühlen, bleibt nichts anderes übrig als zu versuchen, ihre Ansprüche gegebenenfalls – nach Beendigung des Dienstverhältnisses – gerichtlich durchzusetzen. Leichter scheint es in der österreichischen Wirklichkeit zu sein, sich gegen andere Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters und der sexuellen Orientierung zu wehren.

 

Bundes-Gleichbehandlungskommission

„Die Bundes-Gleichbehandlungskommission ist eine besondere Verwaltungseinrichtung des Bundes, die wegen Diskriminierungen im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis zum Bund angerufen werden kann… Auf Antrag haben die Senate Gutachten darüber zu erstatten, ob eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt. Senat I prüft darüber hinaus auch die Einhaltung des Frauenförderungsgebotes.“ Drin Maria Wais ist, unter anderem als Vertreterin der Interministeriellen Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen, Vorsitzende dieses Senates. Rund 50 Fälle werden pro Jahr an den Senat herangetragen und sorgfältig geprüft: „Die Verfahren dauern im Regelfall ein Jahr“ und werden per Gutachten „das nur Empfehlungscharakter hat“ abgeschlossen: „Manchmal kommen dazu Rückmeldungen von den Dienstbehörden, manchmal nicht“. Da am Ende des jeweiligen Verfahrens keine verbindliche Entscheidung steht, muss der Senat versuchen, die Dienstbehörden, im Fall von Belästigungen aber vor allem die Täterinnen oder Täter, argumentativ zu erreichen: „Im besten Fall entsteht eine rechtsverbindliche Wirkung dadurch, dass wir bei den Anhörungen den Beteiligten unter Vorhalt des Gesetzes ‚ins Gewissen reden‘ und eine vergleichsweise Einigung erreichen“. Sucht man hingegen eine bindende Entscheidung zu einer strittig bleibenden Ungleichbehandlung, dann empfiehlt sich, insbesondere bei (sexuellen) Belästigungen der Weg zur Bundesdisziplinarbehörde, die in diesen Fällen laut Maria Wais mittlerweile „strengere Strafen verhängt“, bzw. bei Vertragsbediensteten der Weg zum Zivilgericht. Die Gleichbehandlungsexpertin bedauert, dass in Österreich noch immer der „duale Weg“ gegangen werden massiv: Zum einen durch die Anhörung bei der Gleichbehandlungskommission, zum anderen bei der letztlich zuständigen Gerichtsbarkeit. „Hier sind uns die skandinavischen Staaten weit voraus“.

 

Von der Betroffenen zur Expertin

Am Anfang der Juristinnenkarriere standen bei Maria Wais persönliche Diskriminierungserfahrungen. Etwa, als die kleine, schlanke und allzu jugendlich aussehende „Frau Rat“ des Öfteren die Frage hören musste: „Wo ist denn die Richterin?“ Später, als sie sich um eine Leitungsfunktion in der Justiz bewarb, wurde sie trotz besserer Qualifikationen nicht genommen. Ihre Leidenschaft für die Gerechtigkeit wurde davon aber her beflügelt als gedämpft: „Ich bin Richterin geworden, weil ich überzeugende und nachvollziehbare Entscheidungen wollte“. Während der sechs Jahre in diesem Beruf, lernte sie sich durchzusetzen. Diese Kraft führte sie zu einer geradlinigen Karriere im Justizministerium. Zuerst in die Zivilrechts-Legistik, 2003 als Leiterin der Abteilung für das Berufsrecht für Anwälte und Notare, ua., später dann zweier weiterer Abteilungen und schließlich – ihrem Herzensanliegen folgend – als Fachexpertin für Personalstrategie, Personalmanagement und Gleichbehandlung sowie im Vorsitz der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen beim Justizministerium. Ihre umfassende Expertise und Erfahrung bringt sie bei der Gestaltung von Gesetzen ein, sie beteiligt sich an der Ausarbeitung von „Strategien gegen Gewalt am Arbeitsplatz“ und – siehe oben – an der rechtlichen Beurteilung von Verstößen gegen die Gleichbehandlungsgesetze. Daneben ist Maria Wais Vortragende bei der Bundesverwaltungsakademie. Ebenfalls leitet sie im Bundeskanzleramt den Senat III für Gleichbehandlung in der Privatwirtschaft beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. „Hier haben wir deutlich mehr Rechtsbereiche und Branchen zu prüfen als bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission.“ Das liegt an den vielfältigen Themenbereichen – von der ethnischen Diskriminierung rund um Diskotheken über Fahrlehrer, die sich daneben benehmen bis zu Masseuren, die bestimmte Grenzen überschreiten, bis zu Ärzten im Umgang mit Patient:innen,…

 

"Bilder in den Köpfen“

Gleichbehandlung habe mit unbewussten Vorurteilen, oft auf Grund von „Bildern in den Köpfen“ zu tun. Die Tatsache, dass es dem Bundesheer nicht gelingt, einen vorzeigbaren Prozentsatz von Frauen in seine Reihen zu bekommen, habe auch damit zu tun, dass es bei den Dienstgraden nur die männliche Form geben (vom Gefreiten bis zum Vizeleutnant, vom Leutnant bis zum General). Keine Majorin, keine Obristin, keine Generalin. Frauen fühlten sich von einem rein männlich formulierten Berufsbild weniger angesprochen. „Die Sprache – und somit auch der Berufstitel – bildet das Bewusstsein, wo Frau sich erwünscht sieht und Chancen hat.“ Das sei in anderen Staaten im Militär besser geregelt, und damit erfolgreicher im Sinne der Einbeziehung von Frauen gelöst. Apropos Frauen bei der Exekutive: „Der Großteil der Gutachten (der Bundes-Gleichbehandlungskommission) betrifft die Exekutive des Innenressorts“, auch bei sexueller Belästigung. Und hier, stellt Maria Wais bedauernd fest, „kommt es zum Verfahren meist erst dann, wenn schon viel passiert ist.“ Grundsätzlich weiß die Gleichbehandlungsexpertin: „Je prekärer die Anstellungsverhältnisse sind, umso größer die Versuchung für Vorgesetzte“. Betroffen sind Berufsanfängerinnen, Auszubildende und Frauen mit befristeten Verträgen, wo erfahrungsgemäß auch die Dunkelziffer am größten bleibt.