Die Sichtbarkeit der Frau

 

 

 

 

 

 

 

 

KARRIERE MIT FAMILIE. Juristin, Anwältin, Unternehmensjuristin, wieder Anwältin und daneben noch Aufsichtsrätin. Nicht zu vergessen: zwei Kinder. Erika Stark-Rittenauer bringt das alles unter einen Hut. Eine Karriere von Wien nach Brüssel, London und zurück

Dr. Erika Stark-Rittenauer, LL.M.                                                                                                                                 

Was tun beim Stillen der Headhunter anruft? „Hoffen, dass das Kind ruhig bleibt“ sagt Erika Stark-Rittenauer lachend. „Ich wollte diesen Job unbedingt“. Sie hat ihn dann auch bekommen und ist seit Dezember 2020 Aufsichtsrätin der Casinos Austria. Diese kleine Geschichte ist typisch für eine Frau, die Karriere und Familie offensichtlich perfekt zu verbinden versteht. „Ich möchte dagegenhalten, dass die bis zum 30. Lebensjahr aufsteigende Berufskurve der Frauen im Anwaltsberuf dann plötzlich wieder wegen der Kinder hinuntergeht.“ Die promovierte Juristin stellt vielfältiges Berufs- und Familienleben bereitwillig als „Role Model“ in die Auslage. Nachahmung erwünscht: „Ich setze mich ein für die Sichtbarkeit der Frau“.

 

Flotte Karriere Kartellrecht

Die spürbar mit reicher Energie ausgestattete Löwe-Frau (Aszendent Löwe) verbrachte ihre Kindheit in Wien und Gars am Kamp. Danach setzte Erika Stark-Rittenauer ihre Ausbildung mit Gymnasium und Studium der Rechtswissenschaften in Wien fort. Bevor sie zum Thema Kartellrecht promovierte, absolvierte sie im flotten Takt ein Auslandssemester in Paris, ein Masterstudium in Amsterdam sowie ein Praktikum an der österreichischen Außenhandelsstelle der WKO in Shanghai. Einen starken Bezug entwickelte sie zu Brüssel, wo sie sowohl bei der österreichischen Ratspräsidentschaft im Europ. Wirtschafts- und Sozialausschuss, im EU-Parlament, wie auch in der EU-Kommission bei der GD Wettbewerb mitarbeitete. Hier wurde die junge Juristin dann 2008 bei der Magic Circle Kanzlei Freshfields in der weltweit führenden Kartellrechtspraxis aufgenommen. Am 18. September 2012 folgte in Wien die Angelobung als österreichische Rechtsanwältin. Auf den Tag genau 12 Jahre später (18. 9. 2024) wurde diese Zeremonie nun wiederholt. Und dazwischen? Kinderpause? Von wegen. Stark-Rittenauer hatte ihren Lebens- und Berufsmittelpunkt nach 2,5-jähriger Anwaltspraxis in Wien nach London verlegt und arbeitete dort wieder für Freshfields. Während ihrer ersten Schwangerschaft kam dann die Frage auf, ob die britische Metropole ein guter Platz für eine Familie mit Kind sei. Die Antwort erfolgte per Flugzeug: Exakt am 23. Juni 2016, dem „Brexit Day“, übersiedelte die Hochschwangere von London nach Wien.

 

Nächste Station: Unternehmensjuristin

Und dann eine ganz andere Welt: Senior Legal Compliance Counsel im Compliance Office und der Antikorruptionsstelle der ÖBB-Holding AG. Sperrige Bezeichnung, wiederum sehr interessante und fordernde Aufgabe für die vielseitig interessierte Juristin. „Bei Compliance geht es nicht um reine Regeltreue. Es ist eine Frage der Unternehmenskultur“ meint Erika Stark-Rittenauer grundsätzlich. „Compliance ist cool und sollte selbstverständlich sein, weil effektive Compliance einen klaren Wettbewerbsvorteil für Unternehmen mit sich bringt.“ Dies funktioniere nur, wenn man das Thema Compliance ohne Angstbesetzung darstelle. „Es geht schlicht darum, Verantwortung zu übernehmen und die richtige Praxis auf allen Ebenen vorzuleben“ konstatiert sie nüchtern. Von Jänner 2018 bis Juli 2024 war Stark-Rittenauer im Riesenunternehmen ÖBB eine „Verfechterin der positiven Compliance“. Eine Botschaft, die sie auch im Rahmen der Vereinigung österreichischer Unternehmensjuristen (VUJ) als Leiterin des Fachkreises Kartellrecht und vielgefragte Vortragende weitergibt. 6,5 Jahre Praxiserfahrung, Schulungstätigkeiten und viel Motivation im Staatskonzern zu sämtlichen Compliance-Themen waren dann auch genug für die mittlerweile zweifache Mutter („ich habe bei den ÖBB immer Vollzeit gearbeitet“). Ein neuer Abschnitt musste her, auch deshalb, „weil ich als Unternehmensjuristin bei der Weitergabe einer Causa an Anwält:innen immer wieder gedacht habe: das möchte ich eigentlich selbst machen.“ Darauf folgte am 18. September dieses Jahres – siehe oben – die Wiederangelobung durch die Rechtsanwaltskammer Wien.

 

Dritte Karriere mit 42

Vor dem Eintritt in die dritte Karriere wurde kürzlich am Zweitwohnsitz Gars am Kamp der 42. Geburtstag gefeiert. Sicher hat man dabei auch ein Glas auf jene Kanzlei gehoben, für die sich Erika Stark-Rittenauer nun engagiert: „Die renommierte Kanzlei E+H, vormals Eisenberger und Herzog, wurde neben zahlreichen Anwaltsrankings dafür ausgezeichnet, sehr gute Arbeitsbedingungen und Karriereförderung speziell für Frauen anzubieten. E+H wurde sogar mit dem equalitA-Gütesiegel für Frauenförderung im Unternehmen zertifiziert. Das hat genau dem entsprochen, was ich von einem zeitgemäßen Arbeitsplatz für eine Anwältin erwarte“ freut sie sich. Die Website von E+H Rechtsanwälte GmbH gibt bekannt: „Dr. Erika Stark-Rittenauer, LL.M. ist Partnerin im Bereich Compliance + Investigations, mit umfassender Expertise in den Bereichen Compliance, Kartellrecht und White-Collar Crime“. Ganz schön taff liest sich das. Der charmanten, gerne lachenden Frau traut man die nachhaltige Energie zu, auch in ihrer dritten Karriere überzeugend erfolgreich zu sein. Auf die aktuell wiederkehrende Frage nach der Vereinbarkeit von forderndem Spitzenjob und Familie sagt sie ganz entspannt: „Erfolg im Beruf ist auch gut für die Kinder. Und umgekehrt ist mein Selbstbewusstsein durch die Kinder gestiegen.“