Buch der Saison: „Inside Signa“

 

 

 

 

 

AUFSTIEG UND FALL. Wohl kaum eine „schillernde“ Unternehmerpersönlichkeit und kaum ein aktueller Wirtschaftskrimi bewegen Österreich wie René Benko und sein „Immobilien-Imperium“.

Ein dazu erschienenes Buch dürfte nicht nur Staatsanwälte und Juristen interessieren.

 

 

                                       

 

 

                                                                                                  

 

Den Ausschlag für den Niedergang des Signa Imperiums gab ein 80 jähriger Industrieller, Klaus-Michael Kühne zum Jahresende 2022. Kühne hatte erkannt, dass der von Benko vielfach angewandte Trick, zunächst Geld aufzunehmen und kurz darauf weiteres Geld über eine Kapitalerhöhung einzubringen, mehr Geld kostet, als ursprünglich erwartet. So hatte die Kühne Holding AG insgesamt mehr als 500 Mio. Euro in Aktien der Signa Prime Selection AG angekauft. Die Kühne Holding AG erhielt von der Prime 16,5 Mio. Euro Gewinnausschüttung. Kühne blieb trotzdem bei seinem Entschluss, das Signa Investment zur Gänze abzustoßen. Das sollte der Anfang vom Ende sein.

 

Der Werdegang

Werfen wir jetzt einen Blick auf den Beginn dieser schillernden Karriere eines Mannes, der der größte Unternehmer Österreichs und Europas im Immobiliensektor werden wollte: Zunächst hatte Benko das Klettern im Visier, er wurde mit 14 Jahren Jugendstaatsmeister im Hallenklettern. Nach kurzen Besuchen im Gymnasium und in der Handelsakademie brach Benko die Schulausbildung ab und wendete sich jenem Metier zu, das ihm in den folgenden Jahren Millionen einbrachte: die Immobilien. Am Beginn von Benkos Karriere stand der Ausbau von Luxus-Dachgeschoßwohnungen in Innsbruck, gemeinsam mit seinem damaligen Partner Johann Zittera. Christian Harisch, eine weitere lukrative Partnerschaft, Besitzer des Luxushotels Schwarzer Adler in Kitzbühel, ermöglichte Benko die Übernahme des Wellness-Tempels Lanser-Hof. Benko war mit diesem Deal im Alter von 20 Jahren Schilling-Millionär geworden. Ein weiterer wichtiger Schritt in Benkos Berufsleben war die Ausbildung beim Finanzdienstleister AWD, wo er das Überzeugen mit kleinen Zahlendetails über Anlageprodukte erlernte, eine Fähigkeit, die ihm auch in seiner weiteren Karriere dazu verhalf, Milliardäre um viele Millionen Euro zu erleichtern. Standardprodukt des AWD waren die Aktien von Immofinanz und Immoeast. Der nächste Glückstreffer war die Bekanntschaft und spätere Freundschaft mit Karl Kovarik, dem Erben der Stroh-Tankstellen, die 1987 an die OMV verkauft worden waren. Von den vermutlich 300 Mio. Euro investierte Kovarik einen Teil in die Immofina, die später in Signa Holding umfirmieren sollte. Ein besonderes Talent von Benko war es, ältere Männer von seinem Talent der Immobilienveranlagung zu überzeugen. So gewann er auch den schwerreichen George Economou, einen griechischen Reeder als Investor, dessen Schiffe Öl und Flüssiggas über die Weltmeere beförderten. Es gelang Benko, Economou zu einer Beteiligung an einer Zwischengesellschaft auf den Marshall-Inseln und Zypern zu bewegen, ein Schritt, der es Benko ermöglichte, die Immobilien „Goldenes Quartier“ und „Renngasse“ zu erwerben. Weitere Erfolge erzielte Benko durch seine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Skirennläufer Harti Weirather, der ihm Finanzierungen über Schweizer und Liechtensteinische Banken ermöglichte. Chef der Falcon Private Bank war ein gewisser Edi Leemann, der Benko zahlreiche Kunden für Immobilieninvestments zuführte. Leemann erhielt wegen vermuteter Geldwäsche ein mehrjähriges Berufsverbot, die Geschäfte über die Falcon Bank liefen jedoch im Hintergrund weiter. Dies führte zur nächsten Schlüsselfigur, einem Mann, der stets nur mit einer Kurzbezeichnung tituliert wurde: Kaq, einem Manager eines Staatsfonds aus Abu Dhabi. Der nächste Finanzierungspartner war die Familie Arduini, die über eine Liechtensteiner Aktiengesellschaft namens Ameria Invest AG zu den Kerninvestoren der Signa Holding GmbH werden sollte. Dieses Investment wurde mit viel juristischem Aufwand über eine Treuhandkonstruktion verdeckt gehalten. Über die Ameria und Bartransaktionen aus Liechtenstein wurde ein hoher dreistelliger Millionenbetrag mittels Kapitalerhöhung in die Signa Holding gepumpt.

 

Die Wegbegleiter

Zu Hans Peter Haselsteiner: Dieser investierte in Summe 138 Mio. Euro und lukrierte Dividenden in Höhe von 31,8 Mio. Euro. Dieser Trick, Investitionen mit Dividenden in Höhe eines Bruchteils des Investments zu vergüten, weckte bei den Investoren einerseits das Vertrauen, andererseits auch die Bereitschaft, weitere Investments zu tätigen, die auch von Banken, wie der Raiffeisen International, finanziert wurden. Auch Sebastian Kurz war seinem Freund Benko behilflich, einen Darlehensvertrag über 100 Mio. Dollar im Rahmen eines Facility Agreements mit finanzstarken Persönlichkeiten aus Dubai zu vermitteln. Benko wollte auch Medienmacht erringen und strebte dazu den Erwerb der Kronenzeitung an. Die bestehenden Verträge verhinderten allerdings die Machtübernahme. 2018 erfolgte die Komplettübernahme der Möbelhandelskette Kika/ Leiner, an der Benko wiederum die Immobilien besonders interessierten. Der weitere Werdegang von Kika/Leiner ist aus den Medien bekannt: Im Somme 2023 verloren über 1600 Mitarbeiter ihre Jobs, obwohl Benko angegeben hatte, nicht als kurzfristiger Investor, sondern mit der Perspektive als „langjähriger verantwortlicher Eigentümer“ einzusteigen, dem eine nachhaltige Sanierung auch zur Sicherheit der Arbeitsplätze ein Anliegen war. Ende Mai 2023 verkaufte die Signa Gruppe das Möbelhaus um einen symbolischen Kaufpreis von einem Euro an den Handelsexperten Hermann Wieser weiter, der wenige Tage nach der Übernahme Insolvenz anmeldete.

 

Das Ende

2023 begann das Imperium der Signa Gruppe zu zerfallen, nachdem Kühne seine Investments bei Benko zurückgezogen hatte. Auch der 100 Millionen-Dollar-Kredit aus dem arabischen Raum vermochte daran nichts mehr zu ändern. Benko versuchte, mit dem Verkauf von Bildern liquide Mittel zu schaffen. Bei der Beurteilung der Frage, wieviel Geld Benko wirklich noch hat, wird eine Analyse der Familie-Benko-Privatstiftung als größte Anteilseignerin an der Signa Gruppe eine wesentliche Rolle spielen. Es wird Aufgabe der Insolvenzverwalter sein, hier Klarheit zu schaffen. Die Krone glaubte im Jänner 2024 zu wissen, dass diese Stiftung mehr Schulden als Vermögen hat.

 

Versuch einer Analyse

Der vorstehende Text hat gezeigt, wie man auch in Österreich mit entsprechender Überzeugungskraft ein Wirtschaftsimperium aufbauen kann. Deutsche Analysten haben versucht, den Zusammenbruch der Signa Holding nur mit der Erhöhung der Bankzinsen zu erklären. Diese Meinung greift meines Erachtens zu kurz: Die viele Jahre bestandene günstige Finanzierungsmöglichkeit hat naturgemäß die Finanzierung von Immobilien sehr begünstigt. Es bleibt trotzdem das wesentliche Faktum, die richtigen Immobilien zum richtigen Zeitpunkt an Land zu ziehen. Ob das jetzt der Elb-Tower in Hamburg ist oder das Chrysler Verwaltungsgebäude in New York oder der Standort in der Wiener Mariahilferstraße, wo das Hotel Lamarr entstehen sollte. Man muss einmal die Idee und den Mut haben, solche Projekte anzugehen und als nächsten Schritt die Investoren davon zu überzeugen, dass sie damit viel Geld verdienen können. Es ist erstaunlich, dass nicht nur Leute wie Hans Peter Haselsteiner oder auch der Großspediteur Kühne auf diesen Trick hineinfielen, sondern dass auch namhafte Banken wie Raiffeisen International und die Bank Austria bei der Finanzierung mithalfen. Wie viele Gläubiger durch ihr Investment bei der SIGNA einen Schaden erlitten haben, wird davon abhängen, welche Verkaufspreise die Insolvenzverwalter für die Immobilien aus dem Signa-Reich letztlich lukrieren können. Ein juristisch interessanter Nebenaspekt ist die Frage, ob die Verfahren als sogenannte „Sanierungsverfahren“ oder als schlichte Konkursverfahren mit einer kürzeren Erledigungsdauer zu führen sind. Das Handelsgericht Wien als Konkursgericht I. Instanz hatte die Sanierungsverfahren für zulässig erklärt, das Oberlandesgericht Wien äußerte Zweifel an der Erfüllbarkeit der Sanierungspläne. Es bleibt nun abzuwarten, ob der Oberste Gerichtshof dies ebenso sieht wie das Oberlandesgericht Wien.

 

 

Autor: 

Johannes Sääf

emeritierter Rechtsanwalt und Unternehmensberater, hat für ANWALT AKTUELL das Buch „Inside Signa“ gelesen