„Die verschiedene Berufserfahrung ist in der täglichen Arbeit sehr sinnvoll“

10 JAHRE. Die Landesverwaltungsgerichte sind Österreichs jüngste Gerichte. Als Nachfolgeeinrichtung der Unabhängigen Verwaltungssenate leisten sie im Vergleich zu medial aktiveren Gerichten eine eher unspektakuläre Arbeit. Seit zwei Jahren ist die Kärntnerin Claudia Pinter Präsidentin der Verwaltungsrichterinnen und -Richter.

 

Interview: Dietmar Dworschak 

Anwalt Aktuell: Frau Präsidentin Pinter, wenn es nicht gerade um die Neubesetzung der Spitze des Bundesverwaltungsgerichtes geht, führt die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich ein eher unauffälliges Leben. Woran liegt das?

 

Claudia Pinter: Es ist nicht schlecht, wenn wir als Verwaltungsrichterinnen und –Richter ein unauffälliges Leben führen. Das deutet darauf hin, dass wir unsere Sache gut machen, dass es keine Beschwerden gibt und dass wir uns in den letzten zehn Jahren ganz gut entwickelt haben. Es gibt allerdings in vielen Bundesländern Verfahren, die brisant sind und durchaus in den Medien vorkommen. Da wäre es manchmal wünschenswert, wenn wir uns besser präsentieren würden, indem wir erklären, worum es geht. Denn die Medienarbeit machen häufig  Anwältinnen oder Anwälte für ihre Parteien. Das entspricht dann nicht unbedingt immer dem, was Gegenstand vor Gericht war. Man sollte diese Zurückhaltung in der Medienarbeit in der heutigen Zeit ein wenig überdenken.

 

Anwalt Aktuell: In der Steiermark hat die Politik kürzlich versucht, die unbefristete Funktion der Leitung des dortigen Verwaltungsgerichts abzuschaffen. Traut man sich das, weil man seitens der Verwaltungsrichterschaft mit wenig Widerstand rechnet?

 

Claudia Pinter: Es soll in der Steiermark ein neues Objektivierungsgesetz geben, das alle Leitungsfunktionen im Land befristet. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, das Landesverwaltungsgericht hat aber eine Sonderposition. Präsidentin/Präsident bzw. Vizepräsident/Vizepräsidentin sind nicht nur Leiterinnen bzw. Leiter dieses Gerichts, sondern werden gleichzeitig mit ihrer Ernennung Richterinnen bzw. Richter, wenn sie dies davor nicht schon waren. Eine Richterposition derart zu befristen widerspricht dem Artikel 6 EMRK. Es widerspricht auch der Verfassung. Mittlerweile liegt eine Regierungsvorlage vor, die von einer Befristung absieht; unsere Einwände wurden also gehört.

 

Anwalt Aktuell: Die Verwaltungsgerichte sind 10 Jahre alt und damit eine junge Einrichtung. Ist das der Grund, dass die Urteilsaufhebung mit 27 Prozent gegenüber den Zivilgerichten mit 22 Prozent relativ hoch liegt?

 

Claudia PinterDiese Zahl erscheint mir sehr hoch. Ich glaube, dass diese Zahl insbesondere durch die Asylverfahren entsteht. Wenn ich den gesamten übrigen Bereich ansehe, dann liegt diese Zahl dort wesentlich niedriger. Hier wäre auch anzumerken, dass nicht einmal 10 Prozent aller Entscheidungen der Verwaltungsgerichte angefochten werden.

 

Anwalt Aktuell: Wie sehen Sie grundsätzlich die thematische Aufstellung der Landesverwaltungsgerichte?

 

Claudia Pinter: Wenn ich das Beispiel Kärnten nehmen darf: Zu Beginn der Tätigkeit des Gerichts haben sich alle Richterinnen und Richter zusammengesetzt und ein System mit Materienblöcken entwickelt. Jede Richterin und jeder Richter muss einen bis zwei Materienblöcke übernehmen. Das sind thematisch zusammenhängende Rechtsgebiete. Bei uns als kleinem Gericht bedeutet das, dass eine Richterin/ein Richter mehrere Materien zu betreuen hat. Bei größeren Gerichten wird umständehalber mehr spezialisiert.

 

Anwalt Aktuell: Sie haben kürzlich gesagt: „Wettbewerb ist Freiheit“. Das werden viele, die Sie zum Kartellgericht bringen, nicht so sehen…?

 

Claudia Pinter: Wenn ich das Beispiel Kärnten nehmen darf: Zu Beginn der Tätigkeit des Gerichts haben sich alle Richterinnen und Richter zusammengesetzt und ein System mit Materienblöcken entwickelt. Jede Richterin und jeder Richter muss einen bis zwei Materienblöcke übernehmen. Das sind thematisch zusammenhängende Rechtsgebiete. Bei uns als kleinem Gericht bedeutet das, dass eine Richterin/ein Richter mehrere Materien zu betreuen hat. Bei größeren Gerichten wird umständehalber mehr spezialisiert.

 

Anwalt Aktuell: Es gibt ja für Verwaltungsrichterinnen und –Richter keinen einheitlichen Ausbildungsweg, im Gegensatz zu Zivil- und Strafrichtern. Wird es hier in der Zukunft eine Systematisierung der Ausbildung geben?

 

Claudia PinterDass es kein einheitliches Ausbildungssystem gibt, stimmt so nicht. Wir haben spezielle Module für neu ernannte Richterinnen und Richter, wo gelernt wird, was das spezielle Handwerk ausmacht – sei es Verfahrensführung, Ethik und dergleichen. Unser Modell ist einfach anders als jenes der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit. Wir setzen auf Berufserfahrung, die für unsere richterliche Tätigkeit wichtig und wertvoll ist. Jede Richterin, jeder Richter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit hat nicht nur im Gericht gearbeitet, sondern noch andere Dinge gesehen. Unsere Richterinnen und Richter kommen nicht nur aus der Verwaltung, sondern u.a. auch aus der Anwaltschaft oder von den Notaren. Diese verschiedenartige Berufserfahrung ist in der täglichen Arbeit sehr wertvoll. Übrigens findet unser System europaweit positive Beachtung.

 

Anwalt Aktuell: Stichwort Künstliche Intelligenz. Auf der Website der österreichischen Verwaltungsrichterinnen und –Richter liest man, dass die deutschen Kolleginnen hier schon sehr weit sind. Ein Vorbild für Österreich?

 

Claudia Pinter: Die neuen Technologien sollten uns auf jeden Fall unterstützen. Wir müssen aber immer Herr dieser Technologie bleiben. Das wurde auch am deutschen Verwaltungsgerichtstag deutlich gemacht. Die KI kann wertvolle Dienste bei der Recherche, bei der Anonymisierung oder bei der Vorbereitung von Entscheidungen leisten. Wir müssen allerdings wissen, welche Datenbasis die KI hat, wir müssen das hinterfragen können und am Ende muss die Richterin, der Richter entscheiden.

 

Frau Präsidentin, danke für das Gespräch!