Schwarze Löcher

 

 

 

 

 

 

UNIVERSUM. Während der ehemalige US-Präsident rund um die Uhr die öffentliche Aufmerksamkeit sucht, gehen aktuelle wichtige Fragen der Rechtsordnung für den Weltraum medial unter. Das liegt möglicherweise auch daran, dass wichtige politische Player notwendige Übereinkommen blockieren. 

Stephen M. Harnik

 

Ex-Präsident Trump ist wie ein schwarzes Loch (andere würden ihn vielleicht als eine andere Art von Loch bezeichnen), weil er die mediale Aufmerksamkeit permanent auf sich zieht und quasi den Sauerstoff aus jeglicher Berichterstattung heraussaugt, die sich nicht um ihn dreht. Dies gelingt ihm momentan wieder einmal besonders gut im Zusammenhang mit den gegen ihn anhängigen Gerichtsverfahren. Ich werde dem Widerstand leisten und in diesem Brief Trump keine weitere Beachtung schenken, sondern über eine ganz andere Art von schwarzem Loch schreiben, nämlich das erschütternde Loch im System des Weltraumrechts der internationalen Gemeinschaft. Der 1967 unterzeichnete Weltraumvertrag schuf eine Grundlage für das internationale Weltraumrecht, indem er den Weltraum zur freien Erforschung und Nutzung durch alle Nationen freigab und gleichzeitig Massenvernichtungswaffen und den Anspruch auf Souveränität über ganze Himmelskörper verbot. Der Vertrag wurde von über 100 Ländern ratifiziert, darunter die Vereinigten Staaten und die damalige Sowjetunion. Der Vertrag regelt jedoch nicht ausdrücklich die Rechte und Pflichten eines Staates, und viele seiner wichtigsten  Bestimmungen werfen deswegen neue Fragen auf. Seit der Ratifizierung des Vertrags hat der Ausschuss der Vereinten Nationen für die friedliche Nutzung des Weltraums (COPUOS) vier weitere Verträge (das Rettungsübereinkommen, das Haftungsübereinkommen, das Registrierungsübereinkommen und das Mondübereinkommen) sowie fünf Grundsatzdokumente zu Fragen wie der Haftung für durch Weltraumobjekte verursachte Schäden geschlossen. Ein zentraler Grundsatz aller Verträge und Prinzipien ist der Gedanke, dass der Weltraum dazu dienen sollte, das Wohlergehen aller Staaten und der Menschheit an sich zu verbessern, wobei der Schwerpunkt auf der Förderung der internationalen Zusammenarbeit liegt.

 

Kampf um Vormachtstellung

Derzeit befinden sich die USA allerdings in einem Mehrfrontenkampf mit Russland und China um die technologische und rechtliche Vormachtstellung im Weltraum. So nehmen die Spannungen zwischen Russland und den USA nicht nur hier auf dem festen Erdboden zu, sondern steigt auch die politische Temperatur im Weltraum. Zu Beginn dieses Jahres äußerten Beamte des Pentagons erhebliche Bedenken hinsichtlich der angeblichen Entwicklung einer nuklear bewaffneten Anti-Satellitenwaffe (ASAT) durch Russland. Im vergangenen Monat wurden die Befürchtungen der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf die Bewaffnung des Weltraums durch das Veto Russlands gegen eine von den USA und Japan mitgetragene Resolution des UN-Sicherheitsrats noch verstärkt, mit der die Verpflichtungen aller Staaten im Rahmen des Weltraumvertrags bekräftigt  werden sollten, insbesondere das Verbot, Massenvernichtungswaffen in der Umlaufbahn zu platzieren. Der Westen befürchtet, dass Russlands Veto die Bereitschaft signalisiert, den Weltraumvertrag zu verletzen und ein destabilisierendes Wettrüsten auslösen, das die friedliche Nutzung des Weltraums bedrohen könnte. Russland wollte dieses Verhalten jedoch anders interpretiert wissen und behauptete, dass es für eine breitere Auslegung der Beschränkungen des Weltraumvertrags in Bezug auf militärische Aktivitäten eintrete und nicht nur für ein Verbot von Massenvernichtungswaffen. In dem Änderungsvorschlag zur US-amerikanisch-japanischen Resolution, der von China unterstützt wurde, forderte Russland alle Länder, insbesondere diejenigen mit großen Raumfahrtkapazitäten, auf, „die Platzierung von Waffen im Weltraum und die Androhung von Gewalt im Weltraum“ zu verhindern. Der russische und chinesische Änderungsantrag wurde von den USA abgelehnt und erhielt nicht die für die Annahme erforderliche Mindestzahl von 8 Ja-Stimmen.

 

Vertrauen schwindet

Obwohl Artikel IV des Vertrags den Unterzeichnern verbietet, Massenvernichtungswaffen in der Erdumlaufbahn zu platzieren, haben die gescheiterten Resolutionen der USA und Japans sowie Russlands und Chinas das Vertrauen der einzelnen Supermächte in den derzeitigen weltraumrechtlichen Rahmen weiter verringert. Weniger besorgniserregend, aber dennoch mit einem erheblichen Risiko einer tödlichen Konfrontation behaftet, sind die USA und China in einen Kampf um die Landung von Astronauten auf den Mondpolen verwickelt, um eines Tages das dortige Wasser zu gewinnen und in Wasserstoff als Raketentreibstoff zu verwandeln. Erst Anfang Juni landete China erfolgreich auf der Rückseite des Mondes und entrollte dort die erste chinesische Flagge, bevor die Sonde mit Mondproben zur Erde zurückkehrte. Was passieren wird, wenn beide Staaten auf dem Mond landen und mit dem Abbau seiner Ressourcen beginnen, ist unbekannt, da der derzeitige internationale Rechtsrahmen eine solche Situation nicht angemessen berücksichtigt. Um diese beträchtlichen Regelungslücken zu schließen, haben die USA eine internationale Kampagne zur Förderung der ArtemisAbkommen angeführt, bei denen es sich um eine Reihe von Grundsätzen handelt, die 2020 mit dem Ziel eingeführt wurden, die Zusammenarbeit bei der künftigen Erforschung des Weltraums, insbesondere des Mondes, zu steuern. Obwohl es sich nicht um einen rechtsverbindlichen Vertrag handelt, haben die Abkommen aufgrund ihres Potenzials, die künftige Weltraumverwaltung zu gestalten, Interesse geweckt. Bis zum letzten Monat haben 42 Länder die Vereinbarungen unterzeichnet. Eine der Hauptstärken der Abkommen liegt in der Betonung von friedlichen Zwecken und Transparenz. Die Unterzeichner verpflichten  sich, alle Aktivitäten in Übereinstimmung mit dem Weltraumvertrag durchzuführen und die friedliche Nutzung des Weltraums zu fördern. Darüber hinaus setzen sich die Abkommen für Transparenz bei der Nutzung von Weltraumressourcen und den Austausch von Daten aus wissenschaftlichen Entdeckungen ein. Diese Bestimmungen fördern ein kollaboratives Umfeld und zielen darauf ab, potenzielle Konflikte über den Abbau von Ressourcen oder wissenschaftliche  Fortschritte auf Himmelskörpern zu entschärfen. Speziell für den Bergbau legen die Abkommen fest, dass Staaten keine Eigentumsrechte an dem Land erwerben, wenn sie auf dem Mond, dem Mars, Kometen oder Asteroiden Bergbauaktivit äten betreiben. Stattdessen erlauben die Abkommen den Staaten „Sicherheitszonen“ zu schaffen, in denen sich andere Länder nicht in den Abbau natürlicher Ressourcen einmischen können. Leider ist in den Verträgen nicht genau festgelegt, wie ein Land das Gebiet bestimmen kann, das zu seiner Sicherheitszone gehören soll.

 

China und Russland als Quertreiber

Ein wesentliches Problem der Artemis-Abkommen ist allerdings die mangelnde Kooperation wesentlicher Akteure wie China und Russland, was Bedenken hinsichtlich der Universalität der Abkommen und ihrer Eignung, die neuen Herausforderungen der Weltraumpolitik umfassend anzugehen, aufkommen lässt. Während die USA auf die weltweite Annahme der Abkommen drängen, wirbt China gleichzeitig in der ganzen Welt für seine Internationale Mondforschungsstation (International Lunar Research Station, ILRS). Die ILRS ist eine Forschungssta tion, die China mit Hilfe von Roscosmos auf dem Südpol des Mondes errichten will. Ein wichtiger Teil der chinesischen ILRS-Initiative ist die Gründung der ILRS-Kooperationsorganisation, die es Dutzenden von anderen Ländern ermöglichen wird, sich Chinas Mondambitionen anzuschließen. Obwohl sich die Abkommen und das ILRS nicht gegenseitig ausschließen, steht die Welt zwischen den beiden Einflusssphären. Die internationale Gemeinschaft steht vor einer schweren Entscheidung: Entweder sie arbeitet zusammen, um den bestehenden Rechtsrahmen für Weltraumaktivitäten zu stärken, oder sie riskiert eine Zukunft voller eskalierender Spannungen und potenzieller Konflikte. Der Weltraumvertrag ist zwar eine bahnbrechende Errungenschaft, muss aber aktualisiert werden, um neue Technologien und die Gewinnung von Ressourcen auf Himmelskörpern zu berücksichtigen. Die ArtemisVereinbarungen bieten eine vielversprechende Grundlage für eine friedliche Zusammenarbeit, aber ihre Wirksamkeit hängt von einer breiteren Beteiligung ab, auch von Schlüsselakteuren wie China und Russland. Gemeinsame Anstrengungen zur Verbesserung der Vereinbarungen, verbunden mit einem erneuerten Engagement für die Einhaltung des Weltraumvertrags, sind entscheidend, um eine Zukunft zu gewährleisten, in der der Weltraum eine Domäne für friedliche Erforschung und wissenschaftliche Entdeckungen zum Nutzen der gesamten Menschheit bleibt.

 

Hiermit noch ein kurzes Update zu vergangenen Briefen aus New York:

In meinen Brief in AA 02/24 (April) hat sich der Oberste Gerichtshof erwartungsgemäß auf die Seite der ACLU gestellt und der National Rifle Association in ihrer Klage gegen den NYS-Superintendent of Insurance aus Gründen der freien Meinungsäußerung Recht gegeben. Wie im Brief in AA 01/24 (Februar) besprochen, hat Microsoft erwartungsgemäß beantragt, die Klage der NY Times gegen das Unter nehmen wegen Urheberrechtsverletzung bei der Sammlung von KI-Daten abzuweisen. Abschließend noch eine Anmerkung zu der Aufregung um das Verfahren gegen Joe Bidens Sohn Hunter Biden. Am 03.06.2024 wurde das Verfahren gegen Hunter Biden eröffnet, welches vor allem durch die Republikaner medial gepusht wird, um Präsident Biden zu schaden. Ein Urteil wird innerhalb von 2–3 Wochen erwartet. Eine vielversprechende Verteidigung könnte sein, sich auf den zweiten Verfassungszusatz zu berufen, welcher das Recht eine Waffe zu erwerben und zu tragen schützt. Dieser wird traditionell von den Demokraten sehr kritisch gesehen. Ironischerweise könnte im Falle einer Verurteilung und darauffolgender Berufung sein Retter der konservative, republikanisch dominierte Oberste Gerichtshof sein, der letztlich zu dem Schluss kommen könnte, dass sein Besitz einer Waffe während seiner Drogenabhängigkeit durch eben diesen zweiten Verfassungszusatz geschützt ist. Mehr dazu in einem späteren Brief…

 

***Ich möchte meinem Sohn Nicholas M. Harnik für seine Unterstützung bei der Recherche zum Weltraumrecht danken. Ich freue mich auch sehr, dass Nicholas im April in meine Kanzlei eingetreten ist, so dass Sie in Zukunft noch mehr von ihm hören werden