Brigitte Bierlein: Die Kluge, die Elegante, die Herzliche

Sie war gerne in Gesellschaft. Brigitte Bierlein fühlte sich wohl unter Menschen. Sie gehörte zu jener seltenen Spezies, die ehrlich „mit allen“ konnte. In keiner ihrer zahllosen prominenten beruflichen Positionen hat sie sich jemals „abgehoben“ benommen.

„Sei ein Mensch“ muss ihr ihre Mutter oder ihr Vater gesagt haben.

Es schadete den vielen Begegnungen ihres Lebens nicht, dass sie witzig war und gerne lachte. Und dass sie packend erzählen konnte. Da merkte man, wie offen sie für diese Welt war. Ob sie von einem New-York-Trip berichtete, bei dem es um Kunst ging, ob sie mitfühlend das Schicksal eines heimgesuchten Menschen schilderte oder ob sie sich lustig machte über Intrigen, die sie scharfsinnig durchschaute… Man hörte ihre gebannt zu. Und diese Stimme! Als die Vertreterinnen von „Me too“ noch gar nicht geboren waren machte Brigitte Bierlein bereits Karriere. Oft habe ich mich gefragt, wie ein derart freundliches Wesen Stufe für Stufe aufsteigen und im Finale gar Bundeskanzlerin werden konnte. Ihre besondere Kombination aus Gespür, Intelligenz und Zielstrebigkeit hat eben alle überzeugt. Es ist kein Zufall, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher am Ende ihrer kurzen Regierungszeit „Verlängerung“ wünschten. Man hätte es sich gleich für mehrere Perioden vorstellen können, von dieser Kanzlerin regiert zu werden. Ich habe sie vor ungefähr einem Jahr, bei einer dieser Gesellschaften, die sie gerne besuchte, gefragt, wie es denn jetzt mit ihren Memoiren stehe. „Die werden sicher nicht geschrieben“ sagte sie, lächelnd, aber ernst. Dabei gab es in diesem besonderen Leben vieles, von dem alle lernen können – Frauen wie Männer. Auch ohne Buch gilt aber: Jemand, der so herzlich war, bewahrt man gerne im Herzen.