Alexander Feldinger LL.M, BSc,
Peter Guggenberger, Geschäftsführer MANZ
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ. Der MANZ-Verlag erweitert sein Angebot der digitalen Rechts-Recherche mit der neuen Künstlichen Intelligenz namens „Genjus“. Geschäftsführer Peter Guggenberger und Projektentwickler Alexander Feldinger erläutern Wirkungsweise und Vorteile des digitalen Such-Instruments.
Interview: Dietmar Dworschak
Anwalt Aktuell: Herr Guggenberger, wie lange schon ist „Künstliche Intelligenz“ ein Thema im Hause MANZ?
Peter Guggenberger: Wir haben bereits 2022 begonnen, Künstliche Intelligenz in die Rechtsdatenbank zu integrieren, zuerst bei der Ähnlichkeitssuche. Im November 2022 ist ChatGPT am Markt erschienen und hat das Thema noch ein mal neu aufgemischt. Da sind generative Sprach modelle zu einem Zeitpunkt aufgetaucht, wo man noch nicht damit gerechnet hatte. Im März 2023 entstand bei uns dann der Gedanke, einen Prototyp zu bauen, um grundsätzlich zu sehen, ob das funktioniert und am Markt ankommt. Ab Juni 2023 ließen wir rund 500 Tester das Produkt ausprobieren – und das Feedback war enorm. Das hat uns bestätigt, weiter daran zu arbeiten.
Anwalt Aktuell: Hat das damals schon „Genjus“ geheißen oder wurden Sie von der Genialität des Produkts überrascht?
Peter Guggenberger: Ja, wir waren tatsächlich überrascht, sind aber erst später in die Namensfindung gegangen. Der Name „Genjus“ heißt eigentlich nichts anderes als „Generative jus KI“.
Anwalt Aktuell: Herr Feldinger, Sie sind sowohl ab solvierter Jurist wie ausgebildeter Techniker. Was war Ihr Zugang bei der Entwicklung des Produkts?
Alexander Feldinger: Die Ursprungsidee war, eine generative KI einzusetzen und damit einen völlig anderen Zugang zur Rechtsinformation zu ermöglichen. Wir haben viele Inhalte und die Frage lautet: Wie greift man darauf zu? Aufgrund der Erfahrungen mit den ersten Prototypen konnten wir sehen, wie die Modelle verändert werden sollten, um mit den Daten besser umzugehen. So gut das Feedback war, haben sich natürlich auch einige Herausforderungen herauskristallisiert. Eines der Themen war es, aufzupassen, dass nicht alte mit neuer Information vermischt wird. Also die genaue zeitliche Zuordnung. Ebenfalls haben wir über die Vermischung genereller Informationen gelernt. Kommt beispielsweise eine Frage zur Kündigung, dann kann das Arbeitsrecht, aber auch Mietrecht sein. Dann haben Sie wieder das Problem, dass sich das System verschiedene Daten holt und diese vermischt. Diese Herausforderungen haben uns mittlerweile zwei Jahre lang gut beschäftigt. Heute können wir sagen: Wir haben das in den Griff bekommen.
Anwalt Aktuell: Künstliche Intelligenz ist nach wie vor von einem mystischen Nebel umweht. Wie haben Sie als Traditionsbuchverlag die Scheu vor diesem neuen Wesen überwunden?
Peter Guggenberger: Wenn man ein wenig technisches Verständnis hat, ist wenig Mystik dahinter. Generative Sprachmodelle haben viel mit Statistik zu tun. Sie sind darauf aufgebaut, zu erkennen, wie viele ähnliche Wörter aufeinanderfolgen. Ich versuche es mit dem Bild eines Kuchens zu erklären: Habe ich einen Marillenkuchen oder einen Pflaumenkuchen? Das ist das Sprachmodell. Die Früchte drin sind das Wissen, mit dem das Sprachmodell trainiert wurde. Jetzt kann ich mit dem Modell Verschiedenes anzapfen, indem ich entweder auf die Früchte, also das Wissen, zugreife, oder nur das reine Sprachmodell nutze. Was tun wir? Die Früchte stellen wir bei: das sind die Publikationen unseres oder anderer Verlage. Wir können garantieren, dass sämtliche Inhalte nur aus diesen Quellen bezogen werden und nicht etwas Undefiniertes dazu gedichtet wird. Eine große Herausforderung ist auch, dass wir Verlagspublikationen zeitlich gesehen gewissen Normen zuordnen können.
Anwalt Aktuell: Wie wurde Ihre Künstliche Intelligenz trainiert?
Alexander Feldinger: Wir nutzen sowohl generative wie auch extraktive Modelle, die sich mit Textähnlichkeiten beschäftigen. Wir trainieren kein eigenes generatives Modell, wir verwenden eines von der Stange. Unser Modell sucht Textpassagen aus unseren Verlagsinhalten, die für die Beantwortung relevant sein könnten. Da wurde natürlich auf die juristische Sprache hintrainiert.
Anwalt Aktuell: Apropos trainieren. Was muss der Anwender lernen, um mit „Genjus“ erfolgreich umgehen zu können?
Alexander Feldinger: Je präziser man eine Anfrage formuliert, desto höher ist die Qualität der Antwort. Wir arbeiten aber auch darauf hin, dass es keinen Unterschied macht, ob der Anwender eine Frage so oder so formuliert. Unser System soll robust gegenüber der jeweiligen Fragestellung sein, im Ergebnis sollen immer dieselben Quellen her angezogen werden. Wir wollen ja nicht, dass unsere Anwender Kurse absolvieren müssen, um „richtig“ zu fragen. Wir wollen, dass unser System den Kontext der Anfrage so gut wie möglich identifiziert, wie auch immer sie geschrieben ist.
Peter Guggenberger: Grundsätzlich gilt: Was auch immer der Anwender eingibt, wird im Hintergrund als Frage umformuliert. Damit kommen wir auch Anfragen von Anwendern entgegen, die in einem Rechtsbereich nicht besonders versiert sind. Wenn man solche Systeme effektiv nutzen will, muss man seine Arbeitsweise allerdings schon ein wenig verändern. Das heißt: Weg von der Stichwortsuche, die wir von anderen Suchsystemen oder von Google kennen, und hin zur Formulierung eines Satzes. Je schöner ein Sachverhalt beschrieben ist, umso präziser wird die Antwort dazu. Bei unseren Tests haben wir gesehen, dass viele Anwender das nicht gewohnt sind. Meistens fehlen Verben. Dem haben wir mittlerweile entgegen gewirkt. Wenn man beispielsweise nur eine Geschäftszahl eingibt, wird diese im Hintergrund in eine komplette Frage umgewandelt, die zu einer kompetenten Antwort führt.
Anwalt Aktuell: Wie behandeln Sie das Urheberrecht?
Peter Guggenberger: Wichtiges Thema! Jede Zusammenfassung, die aus den Textstücken unserer Werke entsteht, enthält einen Verweis, aus welchem Dokument dieses Textstück stammt, und das wird auch dementsprechend zitiert. Am Ende bekommt der Nutzer dann eine Liste mit Verweisen auf die zitierten Dokumente.
Anwalt Aktuell: Gefährdet „Genjus“ die Arbeitsplätze von Konzipientinnen und Konzipienten?
Peter Guggenberger: Nein. Deswegen ist das Produkt bewusst „Assistent“ genannt worden. Was „Genjus“ in der Tat leistet: Die Recherchezeit wird erheblich verkürzt. Die bisherigen Feedbacks unserer Nutzer zeigen, dass sie wesentlich schneller in ihrer Inhaltssuche sind. Was früher einen halben Tag gedauert hat bekomme ich jetzt in Minuten erledigt. Die Recherche prinzipiell wird nicht abgelöst. Deshalb auch ein Hinweis auf unsere Zielgruppe: Unsere KI sollte nur von jenen verwendet werden, die juristisch kundig sind. Man sollte beurteilen können, ob das jeweilige Suchergebnis auch stimmt.
Alexander Feldinger: Mithilfe von „Genjus“ sitzt man nicht mehr bis um Mitternacht an einer Recherche. Ich glaube, dass der Beruf der Konzipientin, des Konzipienten, dadurch sogar wieder attraktiver gemacht wird.
Anwalt Aktuell: Meine Herren, danke für das Gespräch.