TRUMP UND DIE ANWÄLTE. Der US-amerikanische Präsident widmet sich neben der Formulierung von Gebietsansprüchen oder der Verhängung von Handelszöllen auch der Anwaltschaft seines Landes. Auch hier geht es um Politik und Geld. Es kursiert die Vermutung, dass Trump mit einigen sehr prominenten Kanzleien ein paar alte, offene Rechnungen begleichen möchte.
Stephen M. Harnik, Esq., New York
Zu den berühmtesten Zitaten von Präsident John F. Kennedy gehört der Satz „Ask not what your country can do for you, but what you can do for your country,“ aus seiner Antrittsrede von 1961. Tatsächlich stammt dieser Satz aber höchstwahrscheinlich aus der Feder seines damaligen Redenschreibers Ted Sorensen, der später Partner in der renommierten New Yorker Sozietät Paul Weiss wurde. Es handelt sich dabei um die größte Rechtsanwaltskanzlei in New York und eine der größten in den USA; ihre Ursprünge gehen 150 Jahre zurück. Paul Weiss machte in jüngster Zeit aber nicht etwa wegen eines Aufsehenerregenden Falles Schlagzeilen, sondern weil diese zusammen mit anderen Anwaltskanzleien, Perkins Coie, Covington & Burling Jenner & Block sowie WilmerHale, von Präsident Trump mittels potentiell ruinöser executive orders ins Visier genommen wurde. Alle diese Sozietäten beschäftigen über tausend Anwälte und haben Niederlassungen im ganzen Land sowie Partnerkanzleien weltweit, die jährlichen Umsätze gehen jeweils in die Milliarden Dollar. Alleine die Pro Bono Tätigkeit ist bei Perkins nach eigenen Angaben mit 70 Millionen US-Dollar jährlich zu bewerten.
Rache an Anwaltskanzleien?
Alle fünf zogen offensichtlich Trumps Zorn auf sich, weil sie seiner Meinung nach gegen ihn gerichtete Initiativen ergriffen, als er noch nicht (wieder) im Amt war. Dazu gehörte, dass Paul Weiss Trumps aufgeblähte Vermögenserklärungen sowie sein Verhältnis zur Porno darstellerin Stormy Daniels untersuchte. Im ersten Fall führte dies zu einer Anklage des New Yorker Generalstaatsanwalts und zu einem (nicht rechtskräftigen) Strafurteil in Höhe von 450 Millionen Dollar. Perkins geriet dagegen in die Kritik, weil die Kanzlei Hillary Clinton während ihres Präsidentschaftswahlkampfs 2016 gegen Trump vertrat und weil sie im Verlauf dieses Wahlkampfs mit dem Rechercheunter nehmen zusammenarbeitete, welches das umstrittene „Steele- Dossier“ erstellte, das angebliche Verbindungen zwischen Russland und Trump aufdeckte. Jenner & Block und Wilmer-Hale waren beide in die Untersuchung von Special Counsel Robert Mueller hinsichtlich der russischen Einmischung in den Präsidentschaftswahlkampf 2016 involviert. Covington brüskierte Trump durch die Zusammenarbeit mit Special Counsel Jack Smith. Smith hat zwei Strafverfahren gegen Trump angestrengt, weil dieser streng geheime Regierungsdokumente entwendet und sie unter anderem in seinem Badezimmer in Mara-Lago versteckt und darüber hinaus noch die Nachfolgeregierung bei der Rückforderung behindert hat.
Geschäftsstopp mit Bundesbehörden?
In den offensichtlich als Vergeltungsmaßnahme gedachten executive orders sollen diese Kanzleien nun auf verschiedene Weise von der Arbeit für und Tätigkeiten im Zusammenhang mit Bundesbehörden ausgeschlossen werden. Gerade diese Aufgaben stellen allerdings jeweils eines der wichtigsten Standbeine dar. Wichtige Mandanten der betroffenen Kanzleien haben daraufhin das Mandatsverhältnis, aus Angst, nicht angemessen vertreten werden zu können sofort beendet, was bereits jetzt schon Millionen von Dollar an entgangenen Einnahmen bedeutet. Seit seiner Wiederwahl hat Trump bereits 98 executive orders unter zeichnet, das ist fast die Hälfte der Zahl, die er während seiner gesamten ersten Amtszeit erlassen hat, und mehr als jeder andere Präsident in den letzten 40 Jahren. Die Attraktivität bzw. das Verhängnisvolle einer solchen präsidialen Verordnung besteht darin, dass diese sofort umgesetzt werden kann, und nicht der Genehmigung, sondern nur der nachträglichen parlamentarischen oder gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Auswirkungen können daher auch im Fall einer späteren Aufhebung zwischenzeitig bereits verheerend sein, wie es auch bei den betroffenen Kanzleien unmittelbar der Fall war. Weiteren Kanzleien wurde dieselbe Maßnahme angedroht.
Zulässig oder verfassungswidrig?
Man kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass diese executive orders verfassungswidrig sind. Dennoch war von der Kollegenschaft auffälligerweise kaum Protest zu hören. Man möchte offensichtlich nicht selbst unter Beschuss geraten. Auf der anderen Seite unterzeichneten mehrere hundert associates großer Wirtschaftskanzleien einen offenen Brief, in dem sie ihre Arbeitgeber aufforderten, sich zu äußern. Eine Mitarbeiterin von Skadden kündigte wegen der „abject cowardice“ ihrer Kanzlei. Bis dato haben sich auch nur drei der fünf betroffenen Kanzleien dafür entschieden, die Verordnung zu bekämpfen. Paul Weiss dagegen hat einem deal zugestimmt: Die Kanzlei willigt ein, 40 Millionen Dollar pro bono für Anliegen aufzuwenden, die Trump am Herzen liegen, das Bekenntnis zur „meritsbased hiring and retention“ zu bekräftigen sowie innerhalb von 14 Tagen einen externen Experten zu beauftragen, um „eine umfassende Prüfung aller seiner Beschäftigungspraktiken“ vorzunehmen. Die (kaum versteckte) Botschaft dahinter ist, dass Trump allen Bundesbehörden befohlen hat, diversity, equity and inclusion („DEI“) abzuschaffen, die seiner Meinung nach den weißen Teil der Bevölkerung diskriminiert. Um ein executive order abzuwehren, erklärte sich auch Skadden wie Paul Weiss bereit, eine massive Anzahl an Arbeitsstunden unentgeltlich für konservative Zwecke zur Verfügung zu stellen. (Nebenbei bemerkt: JPMorgan Chase hat DEI in „DOI“ umbenannt und „Equity“ durch „Opportunity“ ersetzt.)
343 Mio USD an Aufträgen verloren
Perkins hingegen entschied sich wie erwähnt für den Kampf. In einem 57-seitigen Schriftsatz wurde überzeugend dargelegt, dass Trumps Vorgehen der Kanzlei bereits einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zugefügt hat. So müssen die 15 größten Mandanten von Perkins mit einem Umsatz 2024 von gemeinsam mehr als 343 Mio. USD um ihre Regierungsaufträge fürchten, wenn sie weiter von Perkins beraten und vertreten werden. Nach Ansicht der Kanzlei untergräbt die präsidiale Verordnung unter anderem das verfassungsmäßige Recht dieser Mandanten auf freie Anwaltswahl, und würde sogar Junganwälte davon abhalten, sich bei Kanzleien mit dem Präsidenten nicht genehmer Mandantanstruktur zu bewerben. In Bezug auf die Berufsethik argumentierte die Anwaltskanzlei außerdem, dass die Standesregeln vorsehen, dass Anwälte die Verantwortung haben, „[to] accept[] a fair share of unpopular matters or … unpopular clients.”, und weiters, dass „[l]egal representation should not be denied to people … whose cause is controversial or the subject of po pular disapproval”. Durch Trumps Verfügung sehen sich die Anwälte daher der Gefahr ausgesetzt für die Erfüllung dieser wichtigen Verantwortung bestraft zu werden.
Richter-Entscheidung „zu spät“?
Die US-Bezirksrichterin Beryl Howell aus dem District of Columbia gab Perkins Antrag auf eine einstweilige Verfügung statt, woraufhin Trumps Justizministerium die Absetzung der Richterin wegen angeblicher Befangenheit forderte. Trump ging noch weiter in Bezug auf Richter James Boas berg, der bei der Abschiebung mutmaßlicher venezolanischer Bandenmitglieder ohne Anhörung gegen Trump entschied. Die Regierung stützte sich auf den Alien Enemies Act von 1798, der seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1798 erst dreimal angewendet wurde, und zwar im Krieg von 1812, sowie im Ersten und im Zweiten Weltkrieg, als er zur Rechtfertigung der Internierung japanischer, italienischer und deutscher Einwanderer herangezogen wurde. Seit mehr als 70 Jahren musste dieses Gesetz nicht mehr vom Supreme Court geprüft werden. Die Regierung behauptete, dass das Flugzeug mit den mutmaßlichen Bandenmit gliedern bereits in der Luft war, als der Richter seine schriftliche Anordnung erließ, und dass seine mündliche Anordnung vor dem Abheben des Flugzeugs nicht vollstreckbar war. Es hat sich bis her kein seriöser Anwalt gefunden, der dieses letzte Argument gelten lässt, und so stellt sich nun die Frage, ob Richter Boasberg die Exekutive wegen Missachtung einer gerichtlichen Anordnung verurteilen wird. Trump hat mittlerweile die Amtsenthebung von Richter Boasberg gefordert und ihn als „radical left lunatic..., a troublemaker and agitator” bezeichnet.
Letzte Rettung Höchstgericht?
Stephen I. Vladeck, Rechtsprofessor an der Georgetown University hat in einem Leitartikel der New York Times mit dem Titel „The Courts Alone Can’t Save Us“ darauf hingewiesen, dass sich in den ersten acht Wochen der neuen Trump-Regierung trotz aller Interventionen vor Ort erschreckend wenig geändert habe. „Much of the unlaw fully frozen federal money is still frozen; many of the unlawfully fired federal workers are still out of work.” Mahmoud Khalil, der Columbia-Absolvent und Inhaber einer Green Card, der am 8. März in New York aus äußerst fragwürdigen rechtlichen Gründen verhaftet wurde, befindet sich nach wie vor in einer Einwanderungshaftanstalt in Louisiana. Neben Khalil wurde auch die Nierentransplantationsspezialistin und Medizinprofessorin an der Brown University, Dr. Rasha Alawieh, aus den Vereinigten Staaten ausgewiesen, obwohl sie über ein gültiges H1-B-Visum und einen einstweiligen Gerichtsbeschluss verfügte, der ihre Ausweisung verhindern sollte. Sie ist libanesische Staatsbürgerin und war in ihr Heimatland gereist, um Verwandte zu besuchen. Jetzt sitzt sie im Libanon und versucht, wieder einreisen zu dürfen, während ihre Patienten in den USA dringend auf ihre Rückkehr warten. Die beiden letztgenannten Fälle sind zwar nicht das Ergebnis von Verordnungen der Exekutive, aber Professor Vladecks Punkt ist derselbe: „... it seems that cha os and disruption are themselves central to Presi dent Trump’s objective.“ Die Gerichte bemühen sich um Verfassung und Rechtstaatlichkeit, aber sie werden auch die Hilfe der Legislative und der parlamentarischen Kontrolle benötigen, um irreparable Schäden zu verhindern. Für die Anwaltskanzleien, die den executive orders nachgegeben haben, ist es ein doppelter Schlag: Sie haben mit diesem Schritt sowohl bei bestehenden Mandanten und in der Kollegenschaft an Respekt einge büßt als auch andere Mandanten bereits verloren, die sich in Erwartung des Widerstands zurückgezogen hatten. Zurückkommend auf das Einknicken von Paul Weiss vor Präsident Trumps executive order: Machte Ted Sorensen 2004 die folgende Bemerkung im Zusammenhang mit dem – fehlgeleiteten – Krieg im Irak, sie scheint mir genauso auf den aktuellen Wirrwarr anwendbar zu sein: The damage done to this country by its own mis conduct in the last few months and years, to its very heart and soul, is far greater and longer lasting than any damage that any terrorist could possibly inflict upon us. The stain on our credibility, our reputation or decency and integrity, will not quick ly wash away.
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Ich möchte Nicholas M. Harnik für seine Unterstützung bei der Recherche danken. Er war selbst für Paul Weiss tätig, bevor er im vergangenen Jahr zu unserem Familienunternehmen wechselte.