„In Österreich gibt es gar kein Konzernrecht“

 

 

 

 

 

 

 

 

GESETZES-LÜCKEN? Julia Told, Universitätsprofessorin für „Privates Recht der Wirtschaft“ in Innsbruck, sieht keine gravierenden Mängel, aber einige Details, die man verbessern könnte.

Univ. Prof. Julia Told                                                                                                                                                           

 

Anwalt Aktuell: Muss das österreichische Konzernrecht nach der Milliardenpleite von Signa neu geschrieben werden?

 

Julia Told: In Österreich gibt es bei genauer Betrachtung gar kein Konzernrecht, das die Besonderheiten des Konzerns umfassend regelt. Wären die derzeit gültigen und einschlägigen Regelungen im Signa-Konzern eingehalten worden, wäre die Zahlungsunfähigkeit bereits viel früher hervorgekommen. Organisationsrecht kann freilich die Insolvenz nicht verhindern, das hängt von der Wirtschaftlichkeit der Organisation ab. Das österreichische Konzernrecht, soweit man von einem solchen sprechen will, hat daher weniger ein Regelungsproblem als ein Durchsetzungsproblem. Meist wird seine Durchsetzung in die Insolvenz verlagert..

 

Anwalt Aktuell: Hätten staatliche Aufsichtsbehörden von Signa eine konsolidierte Konzernbilanz verlangen können – oder waren die Konstruktionen derart gewählt, dass es dazu keine Verpflichtung gab?

 

Julia Told: Soweit mir bekannt ist, waren die einzelnen „Signa-Gesellschaften“ keine beaufsichtigten Gesellschaften; hier kenne ich die Struktur in der Tiefe aber nicht ausreichend. Freilich mussten die einzelnen „Signa-Gesellschaften“ den steuerlichen Jahresabschluss den Finanzbehörden vorlegen, der auf dem unternehmensrechtlichen Jahresabschluss basiert. Einen Konzernabschluss hätten sie hierzu aber nicht beilegen müssen, weil er keine Berechnungsgrundlage für die Steuerbilanz ist.

 

Anwalt Aktuell: Würde man sich die Mühe machen, die mehr als 1.000 Einzelgesellschaften von Signa im Firmenbuch zu recherchieren, müsste man dafür ziemlich viel Geld in die Hand nehmen. Was halten Sie von einem kostenlosen Firmenbuch wie zum Beispiel in Luxemburg?

 

Julia Told: Würde ich absolut begrüßen. Aufgrund der derzeitigen Finanzlage erscheint dies aber aussichtslos. Über die Elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes (EVI) können aber zumindest die aktuellen Eintragungen im Firmenbuch nachvollzogen werden.

 

Anwalt Aktuell: Konzernabschlüsse können in Österreich nur von einer Handvoll großer Steuerberatungsfirmen erstellt werden. Wie sehen Sie die daraus entstehende oft jahrelange Bindung zwischen Klient und Prüfer-Firma? Besteht da nicht die Gefahr, dass hier und dort mal „ein Auge zugedrückt“ wird?

 

Julia Told: Im internationalen Vergleich ist die Abschlussprüferlandschaft in Österreich keine allzu konzentrierte. Für sogenannte fünffach große Gesellschaften ist in Österreich zudem bereits jetzt das Rotationsprinzip gesetzlich angeordnet: Ein Abschlussprüfer darf max. 7 gesetzliche Jahresabschlussprüfungen derselben Gesellschaft in Folge übernehmen (§ 271a Abs 1 Z 4). Dies gilt auch für Kreditinstitute (§ 62 BWG iVm § 271a UGB) und Versicherungen (§ 261 VAG iVm § 271a UGB). Eine darüberhinausgehende Verschärfung des Rotationsprinzips kann freilich angedacht werden; es ist allerdings zu bedenken, dass die Rotation die Prüfungsqualität theoretisch auch etwas abmildern und verteuern kann, weil sich neue Prüfer erst einarbeiten müssen und noch nicht ganz so tief sehen. Schließlich sollte man sich vor Augen halten, dass ein Großteil der österreichischen Kapitalgesellschaften gar nicht prüfpflichtig ist: Eine Prüfpflicht trifft zwar sämtliche Aktiengesellschaften; GmbH brauchen aber keinen Abschlussprüfer beiziehen, wenn sie im Sinne des § 221 UGB als klein zu qualifizieren sind und überdies keinen Aufsichtsrat einrichten müssen. In diesem Punkt würde ich eine Verschärfung befürworten. Im Anlassfall der Signa hätte eine Verschärfung der Prüfpflicht das Problem der fehlenden Aufstellung eines Konzernabschlusses aber nicht beheben können.

 

Anwalt Aktuell: In der Immobilienwirtschaft ist nach wie vor üblich, was Signa gemacht hat: für viele Einzelprojekte eigene Gesellschaften zu er richten. Wie können eventuelle neue Regelungen verhindern, dass weiterhin ähnliche undurchsichtige Konzernkonstruktionen wie Signa entstehen?

 

Julia Told: Mit dieser Struktur sollen Risiken abgesondert werden. Wenn dieses Vorhaben mit Unsicherheiten versehen würde, würde der Struktur die Attraktivität genommen. Im rechtlichen Sinne müsse dafür das Trennungsprinzip und damit die begrenzte Verantwortung der Gesellschafter von Konzerngesellschaften gelockert werden, die kein „Unternehmen“ betreiben. Alternativ könnten die Organisationskosten solcher Strukturen erhöht werden, indem zB der Jahresabschluss von Konzerngesellschaften, die kein Unternehmen betreiben, auf Einzelbasis zwingend zu prüfen wäre. Hierzu müsste aber der Gesetzgeber tätig werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieser nur die österreichischen Gesellschaften regeln kann und in Europa auch eine „attraktivere“ Rechtsform eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gewählt werden könnte. Letztlich müsste daher der europäische Gesetzgeber tätig werden.