„Ich wollte ein anerkannter Allrounder sein“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ZWISCHENZEIT. Für eine Biografie scheint es ihm noch zu früh. Doch für seine beiden Enkelsöhne hat er schon einmal begonnen, wichtige Bereiche seines Lebens stichwortartig zu erfassen. Motto: „Es hat viel Platz in 30.000 Tagen und Nächten.“ Besuch beim emeritierten Anwalt und nach wie vor hochaktiven Juristen Hellwig Torggler.                                                                                               

RA em. DDr. Hellwig Torggler 

„Ein eleganter Herr betritt den Raum, durchschreitet das Spalier der Gäste. Herzlicher, wirklich herzlicher Applaus. Fühlbare, echte Wertschätzung. Anerkennung, Freude, Gänsehaut. Die Festreden außergewöhnlich. So der Jubilar. Der Ton, die Worte verbindlich. Ehrlich gemeint, bedacht. Die Choreographie des Abends natürlich, die Komposition würdig, diskret, mit Gehalt bis ins Detail. Die Branche ehrt einen ganz Großen. Einen Freund, Wegbegleiter, Lehr meister. Ein Vorbild. In Dankbarkeit. In Demut.“ 

Hellwig Torggler kennt den Autor dieser kleinen Skizze leider nicht. Aber er erinnert sich gern an das Fest zu seinem 75. Geburtstag, das hier beschrieben wird. Vor 12 Jahren hat es in der Albertina stattgefunden. Die Festschrift, die dem legendären Anwalt damals überreicht wurde, umfasst 1.464 Sei ten. Sechs prominente Herausgeber, 92 in- und ausländische Autoren. Siehe oben: „Die Branche ehrt einen ganz Großen“.

 

Lebensfülle in 10 Kapiteln

Das eingangs erwähnte Skript „für die Enkel“ umfasst fünf Seiten und 10 Kapitel. Mit Dankbarkeit schaut Hellwig Torggler darin eingangs auf das familiäre Leben („Vir familiae“) in Graz zurück und mit Stolz in die Gegenwart: Seine Tochter arbeitet bei der UN-Atomenergiekommis sion in Wien, sein Sohn ist Universitätsprofessor für Unternehmens- und privates Wirtschaftsrecht. Kapitel zwei („Homo studiosus“) erstreckt sich von der Volksschule (ab 1944) über die beiden Doktorate in Rechtswissenschaften (1961) und Politikwissenschaften (1961) bis zum LL.M. in Dallas/Texas. Darauf folgt 1963–1964 der Militärdienst. Originalkommentar Torggler: „Studium des Soldatenlebens“. Am Schluss des Ausbildungskapitels steht: „Devise: Lebenslanges Lernen.“  

 

Erster Zenit mit 32

Der „homolaborans“ Hellwig Torggler wurde als Rechtsanwaltsanwärter von 1964 bis 1969 in den Kanzleien Fritsch (Graz), Weiss-Tessbach und Schönherr (Wien) ausgebildet. Ein Jahr nach der Anwaltsprüfung 1969 stand er bereits auf einem der später edelsten Kanzleischilder der Stadt: Schönherr Barfuss Torggler. Rückblick: „Diese wurde in meiner Partnerzeit dank großartiger Partner und Mitarbeiter eine der größten und renommiertesten Anwaltskanzleien Mitteleuropas mit Zweigbüros in zahlreichen anderen, mehrheitlich osteuropäischen Staaten.“ Am 31.1.2007 fand der „sozietätsvertraglich vorgesehene Abschied (aus Altersgründen) als Seniorpartner der Sozietät Schönherr“ statt. Am 1.2.2007, somit im zarten Alter von 68 Jahren, startete Hellwig Torggler als „Juniorpartner“ der Kanzlei „Torggler Rechtsanwälte GmbH“, die derzeit aus 4 RechtsanwältInnen, einer Konzipientin „und mir als emeritiertem Rechtsanwalt“ besteht. Derzeitiger Berufsstatus: „Konsulent“. Was sagt der Konsulent, dessen „neue“ Kanzlei, wie viele andere, nur schwer Rechtsanwaltsanwärter findet, zum allgemeinen Mangel an Konzipientinnen und Konzipienten? Torggler: „Das ist für mich eine überraschende Entwicklung, weil der Rechtsanwaltsberuf aus meiner Sicht nach wie vor sehr attraktiv ist. In die großen, berühmten Kanzleien wollen die jungen Leute schon, aber in die kleinen nicht mehr, obwohl es dort nicht minder interessant ist.“

 

Vielfalt im Beruf, Allrounder bei Publikationen

Stöbert man im Kapitel „Homoscribens“, so findet man neben 5 selbständigen Werken insgesamt 9 Herausgeberschaften, 22 Gesetzeskommentierungen in juristischen Werken, 105 Aufsätze und 16 kleinere Beiträge, immer wieder auch in aktuellen Rechts-Medien. Hat sich der erfahrene Jurist und renommierte Anwalt fachlich und publizistisch einem Rechtsgebiet besonders verbunden gefühlt? Nein, sagt Hellwig Torggler: „Ich habe bald erkannt, dass man sich bemühen muss, ein eigenständiges Profil zu entwickeln. Bereits in meiner Konzipientenzeit bin ich ins Steuerrecht ‚hineingeschlittert‘, was nicht zu meinem Schaden war. Später kamen der gewerbliche Rechtsschutz und das Gesellschaftsrecht dazu. Ich war relativ früh bereits mit Publikationen auf verschiedenen Rechtsgebieten bekannt.“ Frage: Und wie sehen Sie die Spezialisierung, wie sie der Markt offenbar verlangt und die von immer mehr Kanzleien angeboten wird? Torggler: „Ich wollte mich nicht bloß auf ein bestimmtes Rechtsgebiet festnageln lassen, sondern eher als Allrounder gelten.“ So setzte er sich im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere immer wieder mit neuen Themenbereichen intensiv auseinander. „Zuletzt habe ich 2024 mit vier Mitherausgebern und über 40 Autoren die dritte Auflage des Werks ,Schiedsgerichtsbarkeit – Deutschland, Österreich, Schweiz‘ fertigge stellt, das ich in seiner 1. Auflage allein herausgegeben hatte.“ Welche Vorteile bringen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz dem beratenden und publizierenden Anwalt? „Es gibt natürlich durch das Internet interessante Möglichkeiten, rascher zu gesuchten Gesetzestexten, oberstgerichtlichen Vorentscheidungen oder den Meinungen Anderer zu gestellten Problemen zu gelangen. Das eigene Denken, die Entwicklung einer sachgerechten Taktik und Lösung von Fall zu Fall bleiben dem Anwalt dadurch nicht erspart. Auch die gedruckte Rechtsliteratur wird dabei meiner Einschätzung nach unverzichtbar bleiben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Künstliche Intelligenz die Taktik, Beweglichkeit und Reaktionsgeschwindigkeit ersetzen kann, die bestimmte Situationen vom Anwalt erfordern. Und hier liegt die Schönheit des Anwaltsberufs.“

 

Lehrer, Geehrter, Aufsichtsrat

Bei der Durchsicht dieses reichen (Berufs-)Lebens stehen wir mittler weile erst bei Kapitel fünf. Da darf zwischendurch die Frage erlaubt sein: „Und wie schaff(ten) Sie das alles?“ Antwort mit leichtem Lächeln: „Ich brauche wenig Schlaf“. Fünf Stunden seien es früher gewesen, jetzt genehmige er sich schon mal sechseinhalb Ruhe-Einheiten pro Nacht. Als „homodocens“ war Torggler Vortragender zahlreicher Fortbildungsveranstaltungen, er plante die Steuerrechtskurse der österreichischen Anwaltsakademie, wirkte als Honorarprofessor an der Karlranzens-Universität Graz, als Lehrbeauftragter in Graz, an der WU Wien und an der Donauuniversität Krems. Der „homovanitatis“ empfing 2017 das Goldene Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich und durfte sich diverser Spitzenplätze auf verschiedenen Rechtsgebieten in nationalen und internationalen Anwaltsrankings erfreuen. Die Liste seiner Aufsichtsratsmandate ist prominent und lang – von der ÖIAG über die Andritz AG bis zur MONDI AG etc. Beeindruckend auch die vielen Mitgliedschaften bei österreichischen Vereinigungen: Österreichischer Juristentag, Wiener Juristische Gesellschaft, Anwaltsclub „Soupirium“, Rotary Club Wien Nord-Ost sowie bei Freundesorganisationen diverser Theater-, Musik- und Museums institutionen. 

 

Homo ludens, homo movens

Unbändiges Interesse an der Vielfalt der Welt und der Menschen prägte bereits das Leben des Schülers. Mit einer Norwegen - reise 1948 begründete Hellwig Torggler seine „Skandinavien philie“, als Autostopper und per Motorrad eroberte er Frankreich, Holland und Griechenland. Im Zuge seiner Auslandsstudien und der Teilnahme an Sportereignissen unternahm er regelmäßig aus gedehnte Reisen. Mit seiner Frau war er auf allen Kontinenten unterwegs, „auch durch manche Länder, die später nicht mehr ohne weiteres bereisbar waren“.

Auf die Frage, woher die elementare Energie für das mittlerweile 87 Jahre dauernde Leben stammt, kommt eine klare Antwort: vom Sport. Hellwig Torggler hat fast keine Disziplin ausgelassen. Von Jugendtagen an standen Schwimmen, Tennis, Golf, alpiner Schilauf, Marathon und Schilanglauf, Bergsport zu Fuß und auf Tourenskiern am Programm der reichlich ausgenützten Tage (und Nächte). Unter seinen 17 internationalen Marathonteilnahmen liest man New York, Boston, London, Berlin, Venedig, Medoc/Bordeaux, Wien (10 x) oder Tromsö (Mitternachtsmarathon am Polarkreis). Die Langversion des Vasa-Laufs (90 Kilometer) hat er 30-mal absolviert. Auf dem Großglockner war er dreimal, in Afrika stand er bereits am Kilimandscharo und in Mexiko zweimal am Popocatepetl. Meine abenteuerlichste und zugleich schönste von vielen Berg- und Schitouren in den Ost- und Westalpen war vielleicht eine Schitour auf den Gipfel des Montblanc. Ohne Blessuren ging es dabei nicht ab: „Den zahlreichen Sportverletzungen, die ich im Lauf der Jahre eingesammelt habe, stehen als Aktiva unvergessliche Naturerlebnisse, interessante Wettkämpfe, vor allem aber die Gründung langjähriger Freundschaften gegenüber.“ Hellwig Torgglers Schlusswort sollte speziell vom Berufsnachwuchs aufmerksam gelesen werden: „Ich liebte den Anwaltsberuf, besonders wenn und weil man darin etwas bewegen und junge Mitarbeiter motivieren konnte. Bezogen auf unseren Berufsstand ist daher für mich die Sehnsucht mancher junger Kollegen nach einer ‚Work-Life-Balance‘ im Sinne einer streng geregelten und womöglich kürzeren Arbeitszeit im Be ruf nicht nachvollziehbar, impliziert sie doch geradezu den Ausschluss unserer Berufstätigkeit aus den schönen Seiten des Lebens.“