Zahlungsmoral:  Darf’s ein bisschen später sein?

Mag. H. Musser, geschäftsführender Direktor des AKV

 

 

Gemessen an ihrer Zahlungsmoral sind die Österreicher im internationalen Vergleich Musterschüler. Allerdings wird jede fünfte Rechnung erst mit etwas Verspätung beglichen.

 

Der Alpenländische Kreditorenverband hat – wie jedes Jahr – einen genauen Blick auf das Zahlungs­verhalten generell als auch auf das von säumigen Zahlern gemacht: Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige, und wenn man dieses Sprichwort auf den Zahlungsver­kehr anwendet, dann zählen die Österreicher zu Europas absoluten Hochwohlgeborenen. Während Unternehmen nämlich im EU-­Durchschnitt 52 Tage warten müssen, bis eine Rechnung beglichen wird, sind es in Österreich nur 31 Tage. Mehr als dreimal so lange müssen Unternehmen in Spanien (97 Tage) und in Italien (96 Tage) auf ihr Geld war­ten, gefolgt von Portugal (90 Tage) und Griechen­ land (80 Tage). Nahezu vorbildlich ist dabei die Zahlungsmoral im Privatbereich. Hier werden 87 Prozent aller Rech­ungen innerhalb des Zahlungsziels von 14 Tagen beglichen, 11 % zahlen verspätet und in 2% kommt es zu Ausfällen. Als Hauptgrund für das Nichtbezahlen von Rech­nungen seitens der Firmen wird die Ineffizienz der Verwaltung (über 50 %), gefolgt von momentanen Liquiditätsengpässen genannt. 

 

Rechnungsleger, bitte warten

Mehr Zeit zur Begleichung offener Forderungen lassen sich Unternehmen – im Schnitt 30 Tage bei einem Zahlungsziel von 25 Tagen – und die öffent­liche Hand. Wobei die Gemeinden mit 30 Tagen noch gleichauf mit den Unternehmen liegen, die Länder (36 Tage) und der Bund (37 Tage) sich aber im Schnitt noch rund eine Woche mehr Zeit lassen. Bei der öffentlichen Hand gilt somit das gleiche wie bei den Unternehmen: je größer die Einkaufsmacht ist, desto mehr Zeit lassen sich die Institutionen mit den Zahlungen. 

 

Inkasso-Barometer

Nur rund 1,5 % aller Forderungen werden auch nach wiederholten Mahnungen nicht beglichen, sodass letztlich spezialisierte Inkassounternehmen oder Anwaltskanzleien mit der Betreibung beauf­tragt werden müssen um die Außenstände einzu­bringen. Knapp zehn Prozent der Schuldner beglei­chen ihre offenen Forderungen dann binnen 30 Tagen, der Rest benötigt länger. Die Gruppe der 20­ bis 24­ Jährigen, die noch über ein vergleichsweise geringes Einkommen verfügt und gleichzeitig ein höheres Konsumbedürfnis hat, ist dabei diejenige, die am häufigsten mit einem Inkassobüro in Berührung kommt. Die Schulden der Männer sind mit durchschnittlich rund 500 Euro auch deutlich höher als die der Frauen (330). Am häufigsten werden Inkassobüros in Wien aktiv, gefolgt von Kärnten. Die wenigsten Inkasso-Fälle gibt es im Burgenland und in Tirol, wobei die Inkasso-Forderungen in Tirol aber die höchsten in ganz Österreich sind.

 

Offene Rechnung und „Lieferantenkredit“

Evident ist, dass das Risiko des Rechnungsausfalls für Lieferanten und Händler mit jedem Tag expo­nentiell ansteigt. Der sogenannte „Lieferantenkre­dit“ – die Lieferung auf offene Rechnung – wird trotz der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase als günstigste Kreditvariante gesehen um den eige­nen Bedarf zu stillen. Für die Wirtschaft stellt das ein milliardenschweres Risiko dar: Studien zeigen, dass in Österreich Rech­nungen in der Höhe von 1,2 Milliarden Euro auch nach Mahnungen nicht bezahlt werden. Der Handel ist dabei, gefolgt von der Baubranche und der Gastronomie, am schwersten betroffen. Durch die neue Möglichkeit des Scorings zeichnet sich jedoch zumindest im Online-Handel eine weitere Entspannung ab. Online-Händler haben dadurch die Möglichkeit, die Bonität eines Käufers vorab zu prüfen und zu entscheiden, ob sie sich auf eine Lieferung auf offene Rechnung einlassen oder Waren doch nur gegen Vorauszahlung liefern.