MAG. DANIEL LEISSER, BA, LL.M.
Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft
für Rechtslinguistik (ÖGRL)
FEEDBACK. Die kürzlich in Wien veranstaltete 1. Internationale Konferenz der Österreichischen Gesellschaft für Rechtslinguistik (ÖGRL) gab Einblick in die Vielfalt der Forschungsthemen einer jungen Wissenschaft.
Beitrag: Daniel Leisser
Die Forschung an Sprache(n) in rechtlichen Kontexten ist keine Forschung vorbei an der Lebensrealität des Menschen. Es ist Forschung für den Menschen, durch den Menschen und auch am Men schen und der Gesellschaft selbst. Anlässlich der 1. Internationalen Konferenz der Österreichischen Gesellschaft für Rechtslinguistik kamen RechtslinguistInnen, Rechtswissenschaftler Innen und PraktikerInnen aus mehr als 16 verschiedenen Ländern in Wien zusammen, um ihre laufenden Projekte vorzustellen und Forschungsergebnisse miteinander zu diskutieren. Im Rahmen der Konferenz wurde eine Vielzahl interdisziplinärer Forschungsprojekte vorgestellt. Trotz teils heftiger theoretischer und methodischer Diskussionen hat sich bewahrheitet, dass das Staunen vor der Wirkungsmacht der Sprache(n) im Recht alle Disziplingrenzen zu überwinden vermag. Die thematischen Schwerpunkte der sechs Keynote-Präsentationen zeigen den Wert inhaltlicher Varianz deutlich. Diese reichten von der Rolle der künstlichen Intelligenz und Robotik im Hinblick auf TechReg und Smart Regulation (Christian Piska), der Übersetzung im
EU-Rechtsetzungsprozess (Claudia Kropf ), Herausforderungen bei der Vertragsinterpretation nach kontinentaleuropäischem Recht und dem Common Law (Peter Eschig), der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht (Alfred Stratil), praktischen
Perspektiven zu einer klaren und verständlichen Rechtssprache (Martin Dunkl), zur Rolle des Sachverständigen bei Gericht am Beispiel von Sprach gutachten (Martin Reisigl). Die auf der Konferenz präsentierten Fachvorträge und Posterpräsentationen wurden thematisch in drei Gruppen gegliedert:
Die große Anzahl an exzellenten Einreichungen zeigt eindeutig, dass sowohl die scientifc community als auch die community of practice ein reges Interesse an rechtslinguistischen Themenstellungen haben. Aufgrund räumlicher Einschränkungen war es nur möglich, die hochwertigsten Paper und Posterpräsentationen anzunehmen. Im Hinblick auf die strengen Qualitätsrichtlinien im Peer Review-Verfahren soll auch auf die Gründungsurkunde der ÖGRL hingewiesen werden, welche die „große […] Verantwortung im Hinblick auf die Bedeutung rechts-linguistischer Erkenntnisse im gerichtlichen Verfahren“ ins Gedächtnis ruft.
Forschung mit Ethik
Rechtslinguistische Forschung und die Anwendung rechts-linguistischer Erkenntnisse soll und muss stets – ohne moralistisch den Zeigefinger zu erheben – unter ethischen Gesichtspunkten und dem inneren Wertekompass reflektiert werden. Theoretische und Angewandte Rechtslinguistik wirken gegenseitig aufeinander zurück und bilden gemeinsam eine scientia semper reformanda, d. h. eine immerzu reformbedürftige und sich selbst reformierende Wissenschaftsdisziplin. Es versteht sich von selbst, dass RechtslinguistInnen hierzu über den eigenen Tellerrand hinausblicken müssen und sich auch selbst die menschliche Unvollkommenheit eingestehen sollten. Zwar können ForscherInnen niemals verhindern, dass ihre Erkenntnisse zu unethischen Zwecken missbraucht werden, doch treten wir entschieden als Vertretung der RechtslinguistInnen in Österreich für eine ethisch korrekte Verwendung nationaler und internationaler Forschung in diesem Wissenschaftsfeld ein. Vor allem in der empirisch ausgerichteten Angewandten Rechtslinguistik gilt der (fälschlicherweise) Galilei zugeschriebene Ausspruch: „Alles, was messbar ist, messen, und was nicht messbar ist, messbar machen.“
Mein persönlicher Dank gilt dem Organisations komitee der Österreichischen Gesellschaft für Rechtslinguistik, allen voran Luke Green, der uner müdlich die Planung der Konferenz mitvorange trieben hat. Unser großer Dank gebührt den Keynote-Speakern Christian Piska, Claudia Kropf, Alfred Stratil, Peter Eschig, Martin Dunkl and Mar tin Reisigl und allen TeilnehmerInnen für ihre spannenden Vorträge und Posterpräsentationen. Danken möchten wir auch den zahlreichen Frei willigen der Universität Wien und des GrgWikuRg für Berufstätige.