Apropos

Lehrer-Bewertung

 

DIETMAR DWORSCHAK

Herausgeber & Chefredakteur dd@anwaltaktuell.at

 

RANKINGS. Speziell für Großkanzleien scheint es immer wichtiger zu werden, bei mehr oder weniger seriösen „Rankings“ die Nase vorne zu haben. Wer etwas auf sich hält, will sich entweder als Kanzlei oder zumindest auf einem Fachgebiet möglichst weit oben sehen – in Auflistungen, deren  Zustandekommen nicht immer besonders transparent ist.

 

Als ein siebzehnjähriger Schüler eine App ins Netz stellte, auf der er seine Mitschüler ermunterte, den Lehrern so richtig eine reinzu­hauen, da herrschte in manchen Rechtsanwaltskanzleien vermut­lich hämische Laune.

Man erinner­te sich an die eigene Schulzeit und wünschte dem Projekt gutes Gelin­gen. Wer hätte nicht eine alte Rech­nung mit irgendeinem Lehrer of­fen? Dass der junge Mann eigent­lich nur das tut, was bei Anwälten seit Längerem schon Schule macht, wird hier offensichtlich vergessen. Denn längst hat die Bewertungs­-Seuche auch den noblen Anwaltsstand fest im Griff. Die so genannte Bewertung, das Ranking, gehört mittlerweile zu den wichtigsten Marketing-­Instrumenten speziell größerer Kanz­leien. Wie auch immer das Placement zustande

kommt – nur das Ergebnis zählt. 

 

Once upon a time

Irgendwann in den Neunzigerjahren ist der stets innovative Medi­enmann Wolfgang Fellner in die USA gereist, um Ideen für seine weitere Arbeit aufzusammeln. Auf seiner Reise durch die neue Welt scheint ihn besonders beeindruckt zu haben, dass die Amerikaner für praktisch jeden Lebensbereich ein so genanntes Ranking vorgebetet bekamen (und bis heute bekommen). In der Politik zum Bei­spiel würde man im Ranking von Fox News an erster Stelle für den besten vorstellbaren Präsidenten wahrscheinlich Donald Trump sehen. Fellner jedenfalls brachte das Ranking in Österreich mit „News“ zur Salonreife. Ob der junge Medienmann from Austria auch die Geschichte der Rankings studiert hat ist nicht überliefert. Und die geht so: 1983 hatte das um sein Überleben kämpfende Magazin U.S. News and World Report die Idee, ein Ranking der besten Colleges und Universitäten des Landes zu erstellen. Nachdem die Reihenfolge anfänglich per Hörensagen erstellt wurde und die Zeitschrift wegen vieler Proteste gezwungen wurde, „wissenschaftlicher“ zu ihren Er­gebnissen zu kommen, wurde das Ranking im Lauf der Jahre zu einer Art PR-Kampfplatz, auf dem Universitäten große Summen investieren, um in die „Top ten“ zu kommen. Cathy O’Neill, Mathe­matikerin und scharfe Kritikerin digitaler Fehlentwicklungen, sieht eine problematische Wirkung: „Das College-Ranking von U.S. News hat eine riesige Dimension, verursacht flächendeckende Schäden und erzeugt eine beinahe endlose Spirale von destruktiven Feed­backschleifen.“ 

 

„Orientierungshilfe“

Neben dem unfassbaren Müll, der tagtäglich von den Print­ und Internet-­Medien auf die Welt niederprasselt scheinen jene „Ran­kings“, die verschiedene Berufsgruppen in „Gewinner“ und „Verlie­rer“ separieren, bereits zum anerkannten Brauchtum der Me­dienszene – und leider auch der Konsumenten – geworden zu sein. Die Medienkonsumentin/der Medienkonsument zieht ein „Ran­king“ in Sachen Wahrheitsgehalt irgendeiner redaktionellen Speku­lation über den Tiroler Goldschatz einer ehemaligen (und künfti­gen???) Regierungspartei eindeutig vor. Die Ellbogengesellschaft findet im „Ranking“ ihre ultimative Orientierung. Gut, dass Fellner uns bereits in „News“ aufgelistet hat, wer Hollabrunns bester Zahn­arzt oder Bruck an der Murs talentiertester Installateur war. Fellners Geschäftsmodell der „topten“ funktioniert bis heute für alle Bran­chen.

Wundersamerweise auch bei Anwälten. 

 

Die Stufenleiter der Anerkennung

Eröffnet eine junge Anwältin, ein junger Anwalt seine eigene Kanz­lei, lautet eine der ersten Fragen: Und wo ist das Geschäft? Hat der junge Advokat während seiner neun Ausbildungsjahre irgendwann ein paar Minuten Zeit gehabt, sich mit dieser Kernfrage zu beschäf­tigen, dann weiß er/sie, dass das Zauberwort für erste Umsätze „Networking“

lautet. Irgendein Verwandter oder Bekannter hat schon irgendein Thema, aus dem man juristisch Geld herausholen kann. Stufe zwei des aktiven Marketings ist nicht selten die Zurschaustel­lung der Expertise. Da sieht man dann, wie ein Anwalt im Programm eines Privat-TV-­Senders verhaltensauffällige Menschen bei der Abwehr von Angriffen auf einen Hahn berät, den diese Leute mitten in der Wohnsiedlung füttern und krähen lassen. In der Königsklasse schließlich findet man größere oder ganz große Kanzleien, die sich lässig in ihrer Abbildung in so genannten Rankings sonnen. Kein Medium ist exotisch genug, keine abenteuerliche Kategorisierung stört, wenn nur die Platzierung „stimmt“ und sich marketingtechnisch verwerten lässt. Das Schweizer Fachmagazin „Plädoyer“ hat – unwidersprochen – Zusammenhänge zwischen Inseraten in einschlägigen Medien und deren anschließenden Kanzlei-Bewertungen hergestellt. Es gilt die Unschuldsvermutung.