Frauen und Migration!

Warum ist es wichtig, gender in unser Verständnis von Migrationsprozessen einzubeziehen und geschlechterspezifische Migrationsforschung zu fördern? Die Notwendigkeit hierfür ergibt sich nicht nur aus der Tatsache, dass Frauen weltweit knapp die Hälfte der internationalen Migrant:innen aus machen. Geschlecht ist eine der wichtigsten Differenzierungsformen innerhalb von Gesellschaften und interagiert mit anderen sozialen Trennlinien wie Alter, Klasse, ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, Behinderung und sexueller Orientierung. Die Ursachen der Migration wirken sich unter schiedlich auf Frauen und Männer aus. Frauen und Männer bewegen sich auf unterschiedliche Weise, sei es zwischen ländlichen und städtischen Gebieten, innerhalb einer Region oder weltweit. Arbeitsmärkte sind oft stark segregiert und die Möglichkeit für Frauen und Männer, Grenzen zu überschreiten, kann durch geschlechtsspezifische Diskurse, Praktiken und Vorschriften, die das Recht auf Freizügigkeit und die Bedingungen regeln, eingeschränkt oder erleichtert werden.

RA Dr. Alix Frank-Thomasser                                                                                                                                        

Frauen migrieren heute zumeist, um am Zielort eine für sie bessere Arbeitsmarktsituation vorzufinden. Vor zehn Jahren hatte noch die Familienmigration den größten Anteil an dauerhafter Migration in OECD-Ländern und lag damit noch vor Arbeits- und humanitärer Migration. 38% der Migranten kamen damals über diesen Weg nach Europa bzw. migrierten innerhalb Europas. Heute umfassen 50% der Migrationsströme Frauen auf Arbeitssuche, davon 60% in die europäischen OECD-Länder, 57% nach Kanada und 3% nach Australien. Im Jahr 2024 stellen Frauen durchschnittlich die Hälfte der weltweit 304 Millionen Migrant:innen und 42% der geschätzten 164 Millionen Arbeitsmigrant:innen. Seit 2018 wächst die Zahl hochqualifizierter Migrantinnen. Sowohl Migrantinnen aus der Europäischen Union als auch Nicht-Europäerinnen kämpfen allerdings mit einer erheblichen Unterbewertung ihrer im Heimatland erworbenen Qualifikation und damit mit einer Abwertung ihres kulturellen Kapitals. Überqualifizierung (höherer Bildungsabschluss als für die Stelle erforderlich) betrifft in Europa heute rund 36% der Migrantinnen und 31% der Migranten verglichen mit 22% der einheimischen Frauen und 20% der Männer mit identen Ausbildungsvoraussetzungen. Besonders ausgeprägt ist dies in südeuropäischen Ländern, wo die Überqualifizierung bei Migrantinnen bis zu 50% betragen kann. Die schlechte Arbeitsmarktintegration hochqualifizierter Migrantinnen hängt oft mit Problemen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse, der Überbetonung der Berufserfahrung im Gastland und der Bevorzugung lokaler Sprachakzente im Vergleich zu den mitgebrachten Sprachkenntnissen zusammen. Letzteres benachteiligt nachweislich Frauen, insbesondere angesichts ihrer Konzentration auf relationale Tätigkeiten wie Betreuungs-, Dienstleistungs- und Pflegetätigkeiten sowie in regulierten Sektoren wie dem Gesundheitswesen, im Gegensatz zu männerdominierten Finanz- und technischen Berufen. Nationale Privilegien können dazu führen, dass bestimmte Berufe einheimischen und EU-Bürgern vorbehalten bleiben, wodurch Migrant:innen gezwungen sind, weniger sichere und schlechter bezahlte Arbeitsverhältnisse einzugehen. Die im Heimatland ausgebildete und berufserfahrene Ärztin muss im Gastland einen Pflegeberuf ausüben, um überleben zu können. All dies hört sich vor dem Hintergrund des allseits beklagten Arbeitskräftemangels, vor allem in höher qualifizierten Berufen, geradezu unglaublich an. Heute, im Jahr 2025, sehen wir ein humanitäres System in der Krise. Unter oft neoliberaler Herrschaft und einem feindseligen Umfeld gegenüber Migranten und Flüchtlingen haben Staaten und die Europäische Union die Sicherheitsmaßnahmen an den Grenzen, einschließlich der Kategorisierung den humanitären und profitorientierten Sektoren überlassen. Eine Methode, Asylsuchende in Gruppen einzuteilen – zwischen denen, die mit Rechten angesiedelt werden, denen, die in der Schwebe bleiben, und denen, die abgeschoben werden sollen – ist die Anwendung von Vulnerabilität in Verbindung mit Nationalität. Sobald aber Gruppen im Menschenrechtsdiskurs oder in Rechtssystemen als ‚vulnerabel‘ gekennzeichnet sind, werden sie per Definition als ‚vulnerabel‘ verdinglicht und sind in einer politischen Position der Machtlosigkeit und Handlungslosigkeit gefangen. Die gesamte Macht liegt also beim Staat und den internationalen Institutionen, die den Vulnerablen nun Schutz und Fürsprache bieten sollen. Und dabei wäre es so einfach: „Integration bedeutet sozialen Aufstieg, keine Wohnsegregation, Mischehen und die Möglichkeit einer gleichberechtigten Teilhabe an Politik und öffentlichen Aktivitäten. Im Gegensatz zur Assimilation bedeutet Integration nicht, die Kultur des Herkunftslandes zu verlieren, sondern sie zu bewahren und sich gleichzeitig an eine neue Stadt anzupassen.“ (Castañeda, E. ,2018. A place to call home: Immigrantexclusion and urban belonging in New York, Paris, and Barcelona. Stanford University Press.) Im Rahmen der 6. Internationalen Konferenz der The WomenInLaw Intitiative (www.womeninlaw. info) vom 12. bis 14. September 2025 werden führende Expert:innen zum Thema „Frauen in der Migration – Recht und Durchsetzung: Globale Herausforderungen, lokale Lösungen“ die vielfältigen Herausforderungen für Frauen in der Migration erörtern, insbesondere aus der Perspektive von Recht und Durchsetzung.