"Ich verbitte mir, als Pensionist angesprochen zu werden“

 

 

 

 

ERNTEZEIT. Nach vielen Jahren mit intensiver Arbeit als Rechtsanwalt, mit international anerkannten Leistungen im Reitsport, mit engagierter Tätigkeit als Standesvertreter und als Universitätslehrer bezieht Michael Enzinger seit ein paar Tagen seine ASVG-Pension. Er genießt Ehrungen und das Privileg, interessante Aufgaben aussuchen zu können.  

Univ. Prof. Dr. Michael Enzinger, Univ. Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter,                                                                                            

Univ. Prof. Dr. Friedrich Rüffler, Mag. Susanne Stein-Pressl,

Prof. Dr. Michael Breitenfeld                  

In der für ihn charakteristischen Mischung aus charmanter Freundlichkeit und schneidender Bestimmtheit sagt Michael Enzinger: „Wir brauchen wieder Visionäre in der Politik – und in der Standesvertretung!“. Mit seiner Anspielung auf die Mühsal der Regierungsverhandlungen vertritt er keine echte Minderheitenposition, was die Standespolitik betrifft, könnte es durchaus Anlass geben, auf sein mahnendes Wort zu hören. „Die gesamtheitliche Sicht und Verantwortung des Anwalts, der Anwältin ist bei den Jüngeren aus dem Bewusstsein gerutscht“ vermerkt der Altpräsident der Rechtsanwaltskammer Wien (2015 bis 2023) in jenem kritischen Ton, der weit über die Anwaltschaft hinaus Aufmerksamkeit gefunden hat. Aktuell warnt er davor, dass bei dem herrschenden Desinteresse speziell der jüngeren Anwält:innengeneration die Gefahr bestehe, dass „Organe nicht mehr gewählt werden können.“ Die Selbstverwaltung stehe auf dem Spiel.

 

Schöner Ausklang

Michael Enzinger verspricht, sich auch weiter zur Entwicklung des Anwaltsstandes zu äußern. Auch wenn er weiß, dass dies – wie in der Vergangenheit – nicht überall zu Freudentänzen führt. Gerade auch deshalb hat ihn tief gerührt, am 13. Dezember des Vorjahres ein „liber amicorum“ zu empfangen, das Freunde zu seinem 65. Geburtstag am 20. Oktober gestaltet hatten. Auf Einladung des Sobranje-Vorsitzenden Michael Breitenfeld und von Universitätsprofessor Friedrich Rüffler steuerten prominente Juristinnen und Juristen wie Susanne Kalss, Hans-Georg Koppensteiner, Peter Lewisch, Hellwig Torggler und andere insgesamt 13 Texte bei, die den Wissenschaftler Enzinger naturgemäß erfreuten. Aus dem Vorwort: „Noch in seiner Assistententätigkeit …hat er sich mit der bedeutsamen Untersuchung zu Mehrheitsbeschlüssen im Personengesellschaftsrecht habilitiert, wurde zum Universitätsprofessor ernannt und ist dann in die Rechtsanwaltschaft gewechselt, wo er Partner einer renommierten Wirtschaftskanzlei und angesehener sowie hochgeschätzter Berater wurde.“ Diese anerkennende Tonalität beherrschte auch die Laudatio des Professorenkollegen Wolfgang Brandstetter. „Es waren zu Herzen gehende Lobesworte“ erinnert sich Michael Enzinger. MANZ-Geschäftsführerin Susanne Stein-Pressl überreichte das Buch persönlich. Auch dies eine besondere Anerkennung. Kaum weniger erfreut war Enzinger, als er im Jänner als einer von insgesamt sechs Landes-Präsident:innen durch den ÖRAK feierlich verabschiedet wurde.

 

Tempo rausnehmen

Was nun, Herr Ex-Präsident? Michael Enzinger will das Tempo reduzieren. Im Pferdesport, wo er aus eigener Kraft in die höchste Dressurklasse vorgestoßen war, ist das Training dem Genussritt gewichen. Die Aufsichtsratsmandate sind reduziert auf ein Immobilienunternehmen (Vorsitz), eine Infrastruktur-Firma (stv. Vorsitz) und eine österreichweite Textilkette (Mitglied). Damit bleibt mehr Zeit für die wissenschaftliche Arbeit, sei es bei den Kommentaren zum GmbH- oder zum EU-Recht. Besonders freut er sich, bereits seit 20 Jahren am „Münchner Kommentar“ mitzuwirken, wo er durch seinen Fachbeitrag als „Ösi“ (Selbstbezeichnung) eine 180-Grad-Wendung des Gesetzgebers verursachte („Minderheitenschutz und Mehrheitsklauseln bei Personengesellschaften“). Auch als Seniorpartner seiner Kanzlei wird er sich noch um besondere Causen kümmern. Kurzum: „Ich verbitte mir, als Pensionist angesprochen zu werden. Ich bleibe ein standespolitisch denkender Mensch sowie Jurist und Wissenschaftler.“