JAHRESTAGUNG. Unter dem Titel „He said. She said“ fand am 4. und 5. April 2025 der 21. Österreichi sche StrafverteidigerInnentag in Salzburg statt. Die Tagung widmete sich dem hochaktuellen, sensiblen und vielschichtigen Thema des Sexualstrafrechts und lockte damit eine Rekordzahl von 230 Teilnehmerin nen und Teilnehmern unterschiedlichster Disziplinen in den Festsaal des Hotels Imlauer.
Behandelt wurden praktische Herausforderungen, die sich iZm der Rechtsvertretung sowie der Rechtsprechung in Sexualstrafsachen stellen, wobei rechtliche Graubereiche und gesellschaftliche Phänomene im Bereich des „digitalen“ Sexualstrafrechts in den Vordergrund gerückt wurden. Geprägt war die Veranstaltung von einem multiprofessionellen Diskurs, der sich ua. dem Umgang mit Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen, der Bedeutung aussagepsychologischer Gutachten, der kontradiktorischen Vernehmung sowie neuen Formen der digitalen Beweissicherung widmete. Zu den hochkarätigen Ehrengästen zählten Vertreterinnen und Vertreter der Justiz, Verteidigung, Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie, Opferschutzeinrichtungen, Presse sowie politische Entscheidungsträgerinnen: Darunter befanden sich die Abteilungsleiterin für Strafverfahrensrecht im BMJ, LStAin Mag.a Carmen PRIOR, die Präsidentin des LG Salzburg, Mag.a Christina GUMPOLDSBERGER, die Leiterinnen der Medienstellen der StA Salzburg und Wien, Mag.a Ricarda EDER und Mag.a Nina BUSSEK, Mediensprecher der WKStA, Dr. Martin ORTNER, StAin Dr.in Sonja HERBST, die Präsidentin der Vereinigung der Österreichischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (StAV), StAin Mag.a Elena HASLINGER, Vizepräsidentin der StAV, Mag.a Anna-Maria WUKOVITS, der Leiter der StA Salzburg, LStA Mag. Andreas ALLEX, der Leiter der JA Ried im Innkreis, HR Mag. Philip CHRISTL, Redakteur der Salzburger Nachrichten, Mag. Andreas WIDMAYER, ebenso wie die ehemalige Bundesministerin für Verfassung, Nationalrätin und designierte Landeshauptfrau Mag.a Karoline EDTSTADLER. Den inhaltlichen Höhepunkt lieferte ein Festvortrag des renommierten forensischen Psychiaters Dr. Frank URBANIOK, der die Bedeutung der Rolle psychiatrischer Expertise im Spannungsfeld zwischen Opferschutz und Verteidigungsrechten eindrucksvoll unterstrich.
Einblick in die Podiumsdiskussion
Unter Moderation des Gastgebers und Präsidenten der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen (VÖStV), RA Mag. Phillip WOLM, folgte eine – durch den Festvortrag angestoßene – brisante Podiumsdiskussion zu Falschbeschuldigungen, dem medialen Um gang mit Sexualstrafsachen sowie justiziellen Wahrnehmungen zu steigenden Anzeigezahlen. Die von den Rechtsanwälten Mag. Klaus AINEDTER, Dr. Ernst SCHILLHAMMER sowie Dr. Rudolf MAYER moderierten Panels um fassten dogmatische Analysen, psychologisch-psychiatrische Perspektiven sowie Erfahrungsberichte aus Opferschutz und Verteidigung. Verdeutlicht wurde dabei etwa von Dr. Sigrun ROßMANITH die Relevanz einer offenen, praxisnahen Debatte um false memories, therapeutischen Fehldiagnosen und die Glaubwürdigkeit in diesem von gesellschaftlichem Wandel und juristischer Komplexität geprägten Rechtsbereich. Dringenden Reformbedarf verortete die VÖStV bei der kontradiktorischen Zeugeneinvernahme, deren Zurückdrängung zugunsten der schonenden Vernehmung in der Hauptverhandlung notwendig er scheint, um einen unmittelbaren Eindruck durch das Gericht zu er langen. Weiters wurde die obligatorische Berücksichtigung aussagepsychologischer Gutachten iR der Beweiswürdigung gefordert. Darüber hinaus sollten die §§ 65 ff StPO fortan die Formulierung „mutmaßliches Opfer“ enthalten, um der Unschuldsvermutung auf der Suche nach der materiellen Wahrheit nicht vorzugreifen. Die Tagung erwies sich als voller Erfolg. Mit wissenschaftlicher Tiefe und faktischer Expertise entstand ein fächenübergreifender Diskurs auf Augenhöhe in einem emotional aufgeladenen Rechtsgebiet. Der Österreichische StrafverteidigerInnentag erwies sich erneut als immens bedeutendes Vernetzungs- und Fortbildungsgremium.